18.1.97

> Editorial

v Ende der Dürre: Studierendenparlament wählt linken AStA

Erschöpft, abgenervt und reichlich müde verließen am Samstagmorgen um halb sechs nach einem 17-stündigen Sitzungsmarathon die studentischen ParlamentarierInnen das ZHG.

Zähe und langwierige Verhandlungen waren vorausgegangen; mehrere Sitzungsunterbrechungen waren nötig gewesen, bevor ein neuer AStA gewählt werden konnte. Getragen wird er von einer Koalition aus Juso-Hochschulgruppe, Grüner Hochschulgruppe, OLLAfA, LiFaBa und Frauenliste. In ihrer Vorstellung wiesen alle KandidatInnen für die AStA-Referate darauf hin, daß sie eine umfassende politische Arbeit des AStA für unbedingt nötig und auch trotz knapper Kassen für möglich hielten. Anders als der letzte AStA betonten sie, daß der neue AStA seine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe wahrnehmen, die Interessen der Studierenden vertreten und politisch klar Stellung beziehen werde. Die Universität stehe nicht isoliert in der Gesellschaft, weshalb eine Trennung von "Hochschulpolitik" und "Allgemeinpolitik" -- wie sie die rechten Gruppen im Studierendenparlament vertreten -- unsinnig sei.

Servicearbeit bleibe ein wichtiger Schwerpunkt der AStA-Arbeit, gelte es doch, Studierenden beratend zur Seite zu stehen und sie mit den notwendigen Informationen, vor allem hochschul- und sozialpolitischer Art, zu versorgen. Der neue AStA hoffe, sich damit wieder stärker im Bewußtsein der Studierendenschaft zu verankern und damit das Interesse an der Verfaßten Studierendenschaft zu erhöhen.

Zu Beginn der Sitzung am Donnerstagabend hatte das Studierendenparlament (Stupa) zunächst Immo Moshagen (Jura/ Juso-HSG) und Martin Meier (Deutsch, Geschichte/OLLAfA) zu seinen Sprechern gewählt. Gegen halb zwei wurde die Sitzung vertagt, so daß erst am Freitagabend der Haushaltsausschuß des Stupa gewählt werden konnte. In diesem Jahr werden Tom Stolle (Juso-HSG), Thilo Jahn (GHG), Sandy Tirakitti (OLLAfA) und Michael Schneemann (LiFaBa) sowie Volkmar Lampert (ADF), Lutz Hoffmann (RCDS) und Uwe Biltz (LHG) dem Ausschuß angehören.

Auch am Freitag ging es wieder gegen Mitternacht, als endlich die Wahl des neuen AStA auf der "Tages"-Ordnung stand. ADF, RCDS und LHG stellten keine eigenen KandidatInnen zur Wahl auf, befragten dafür die der linken Koalition ausführlich, oft allerdings langatmig und immer wieder mit den gleichen Fragen, so daß sich bisweilen der Eindruck aufdrängte, es gehe weder um sachliche Fragen noch um persönliches Kennenlernen. Manchmal schien eher die Zermürbung ob der späten Stunde ohnehin schon übermüdeter KandidatInnen das Ziel zu sein. Dabei war es in der Tat bewundernswert, daß Teile der Opposition, insbesondere Volkmar Lampert (96), auch am frühen Morgen noch keine Anzeichen von Ermüdung zeigten.

Die neue AStA-Vorsitzende Silke van Dyk (Geschichte, Politik, VWL/OLLAfA) sprach sich in ihrer programmatischen Rede gegen eine ständische Politik aus und betonte die Einbettung der Hochschulpolitik in die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge. Sie verwahrte sich gegen die "Vereinnahmung der Universitäten in die Standortdebatte" und lehnte eine Kommerzialisierung der Hochschulen ab. Der neue AStA unter ihrem Vorsitz werde sein Service- und Beratungsangebot ausweiten und seine Arbeit transparent machen. Dazu werde es Themenwochen im AStA geben, bei denen sich die einzelnen Referate mit ihren Projekten, Angeboten und ihrer laufenden Arbeit vorstellen sollen.

Silke verteidigte die neue Akzentuierung feministischer Politik im AStA, die der anhaltenden Diskriminierung von Frauen an der Universität und in der Gesellschaft begegnen solle. Dafür werde es eine Wiederbelebung des autonomen (also von einer entsprechenden Vollversammlung gewählten) FrauenLesbenReferates geben. Desweiteren würde der AStA das autonome Schwulenreferat wieder einrichten sowie SachbearbeiterInnenstellen für feministische Politik, für die Zeitung "asta revista", für Kultur, für die Zeitschrift "göttinger nachrichten" sowie für das antifaschistische Archiv bereitstellen.

Jusos stellen HoPo-Referenten...

Neuer Hochschulpolitischer Referent wurde Tobias Dünow (Deutsch, Geschichte, Publizistik/Juso-HSG), der als sein wichtigstes Ziel die Vergrößerung der studentischen Basis für die Hochschulpolitik bezeichnete. Die anstehende Reform des Hochschulrahmengesetzes (HRG), die anhaltende Debatte um eine Reform des BAföG sowie um die Einführung von Studiengebühren erzwängen eine umfassende Information der Studierendenschaft, um geeignete Lösungsansätze auf breiter Ebene zu finden und den Widerstand gegen einen "sozialen Numerus clausus" zu organisieren. Tobias forderte eine Demokratisierung der Hochschulen, die mit einer demokratischen Besetzung der Kollegialorgane zu beginnen habe, um dort die professorale Übermacht abzulösen. Außerdem setze er sich für die Transparenz von Forschung und Lehre ein, damit die Universitäten aus ihrem Elfenbeinturmdasein heraustreten.

Zum Finanzreferenten wählte das Stupa Christoph Schnegg (Medizin/LiFaBa), dem nun die schwere Aufgabe zukommt, die angesichts sinkender Studierendenzahlen knapper werdenden Gelder der Studierendenschaft zu verwalten. Dabei wird es darauf ankommen, neue Einnahmequellen zu erschließen, um zu verhindern, daß die Dienstleistungen und die politische Arbeit aufgrund fehlender Gelder eingeschränkt werden müssen.

Berit Schröder (Sowi/OLLAfA) wurde zur Außenreferentin gewählt. Als ihr wichtigstes Ziel bezeichnete sie die Wiederaufnahme der Beziehungen des Göttinger AStA zur LandesAStenKonferenz, die im letzten Jahr ruhen mußten, weil der rechte AStA von diesem Gremium nicht akzeptiert worden war. Sie sprach sich auch für einen intensiven Kontakt zum studentischen Dachverband fzs aus, lehnte einen Beitritt der Göttinger Studierendenschaft jedoch ab, weil dies derzeit finanziell nicht zu vertreten sei.

...und Sozialreferenten.

Der neue Sozialreferent Michael Kaus (Geographie/Juso-HSG) versprach, sein Referat wieder zu einem Ort politischer Arbeit zu machen. Er werde den Kontakt zu sozialpolitischen Gruppen in der Stadt fördern, um deren Kompetenz für die Studierenden nutzbar zu machen und um BündnispartnerInnen im gemeinsamen Kampf gegen den Sozialabbau zu gewinnen. Dazu zähle im besonderen der Kontakt zu den Gewerkschaften. Selbstverständlich werde er die erfolgreiche Beratungstätigkeit der Juso-Hochschulgruppe in den linken ASten fortführen und ausbauen, die für ihn Teil seines politischen Projekts sei. Er plane die Einführung einer Sozial- und BAföG-Beratung im Nordbereich und die Überarbeitung der AStA-Sozialinfo-Broschüren.

Weil die Umweltverschmutzung nicht vor den Toren der Universität haltmache, sehe er die Schärfung des ökologischen Bewußtseins als seine vordringliche Aufgabe an. So der neue Ökologiereferent Felix Weisbrich (Forst/GHG). Deshalb beschränke sich das Ökoreferat nicht auf Projekte zur Campusbegrünung, zur Ökologisierung der Mensen und zum Energiesparen an der Uni. Vielmehr gelte es bestimmte Bereiche der Umweltproblematik der Studierendenschaft zu vermitteln und den Kampf gegen die industrielle Lobby zu unterstützen. Dabei denke er vor allem an eine Unterstützug des legalen Widerstandes gegen die Castor-Transporte, die zwar nur ein Symbol für die verfehlte Atompolitik, aber zugleich ein Ausdruck der Ignoranz von Staat und Wirtschaft gegenüber dem Willen der Bevölkerung seien, die die Atomenergie mehrheitlich ablehne.

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