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Die phylogenetischen Verwandtschaftbeziehungen zwischen den verschiedenen Chordatengruppen wurden und werden intensiv erforscht, nicht zuletzt deshalb, weil auch der Mensch in diese Tiergruppe gehört. Durch die erhöhte Forschungsarbeit ändern sich hier die Erkenntnisse schneller als in anderen Tiergruppen, und es gibt auch mehr widersprüchliche Forschungsergebnisse als in vielen anderen Tiergruppen. Dies führt auch häufiger zu Konflikten, Alternativen und Veränderungen in der Systematik der Chordata. In der Zoographia Germaniae versuche ich einerseits die neuesten Forschungsergebnisse wiederzuspiegeln, andererseits muss ich mich bei Konflikten oder offenen Fragen trotzdem für eine "Lösung" entscheiden, wenn auch nur aus dem Grunde, dass die hierarchische Struktur der Verlinkung der Einzelseiten möglich ist.
Bei den Chordata hat sich vor allem im Bereich der Verwandtschaftsbeziehungen der Manteltiere in den letzten Jahren einiges getan. Die bisherige Gruppe der Ascidien (Ascidiacea) wird von nahezu allen Forschungsarbeiten als nicht monophyletisch angesehen. Die wahren Verwandschaftsverhältnisse sind jedoch noch unklar. Was sich aus meiner Sicht jedoch abzeichnet: wir sehen durch molekulargenetische Analysen eine Rückkehr zu Verwandtschaftshypothesen, wie sie zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgestellt wurden. Ich verwende deshalb für monophyletische Gruppen innerhalb der Tunicata zum Teil diese althergebrachten wissenschaftlichen Namen. Eine Gesamtübersicht über die hier in der Zoographia Germaniae verwendete Systematik der Chordata gibt Abb. 1 wieder; dort finden sich auch Erklärungen zu anderen hier verwendeten Namen für monophyletische Gruppen.

Abb. 1: Einteilung der Chordata in Klassen wie sie in der Zoographia Germaniae verwendet wird. Erklärungen im nachfolgenden Text.

Die Namensgebung oberhalb der Family-Group (also taxonomische Einheiten oberhab der Überfamilie (Superfamilia)) ist nicht durch den International Code of Zoological Nomenclature reguliert, somit gilt hier auch nicht die Prioritätsregel. Ich nutze dennoch möglichst althergebrachte Namen, sofern sie Gruppen kennzeichnen, die nach dem aktuellen Stand der Forschung monophyletisch sind (siehe Abb. 1). Die Namen der Subphyla sind in vielerlei Hinsicht problematisch und umstritten, ich habe mich zugegebenermaßen willkürlich(!) für Namen entschieden, die im deutschen Sprachraum weiter verbreitet sind. Der Name Acrania ("Schädellose") zielt darauf ab, dass diese Gruppe noch keinen Schädel ausbildet, was jedoch bei den Neunaugen und Schleimaalen ebenfalls so ist (siehe auch weiter unten), so dass der Name nicht wirklich passt. Die Alternative, der Name Cephalochordata, zielt darauf ab, dass die Chorda dorsalis bis ganz nach vorne in den Kopf der Tiere zieht ("Kopfchordaten"). Allerdings: wo kein Schädel, da auch definitionsgemäß kein Kopf (eine Kopfbildung haben wir ja erst bei den kiefertragenden Wirbeltieren), der Name "Kopfchordaten" passt deshalb ebensowenig wie der Name "Schädellose". Der Name Tunicata zielt auf die Ausbildung eines exoskelettartigen Panzers (die sog. Tunica) ab. Eine Tunica im eigentlichen Sinn bilden jedoch nur die Pleurogona, Enterogona und Thaliacea; die Appendicularia bilden einen komplexen Filterapparat, der zwar üblicherweise mit der Tunica homologisiert wird, aber zumindest funktionell keine Tunica ist. Auch die Alternative "Urochordata" ("Schwanzchordaten") trifft nur teilweise zu, denn zum einen bilden alle Tunicaten außer den Appendicularien den "Schwanz" und die dort befindliche Chorda dorsalis im Laufe des Lebens zurück. Und zum anderen haben natürlich auch andere Chordaten einen "Schwanz mit Chorda", nämlich den postanalen Ruderschwanz. Der Name für die Wirbeltiere ist zumindest im deutschen Sprachraum umstritten: die beiden Alternativen "Vertebrata" und "Craniota" scheitern allerdings exakt an der gleichen Stelle: den Neunaugen und Schleimaalen. Beide bilden das Merkmal auf das die Namen jeweils anspielen nicht wirklich aus: Wirbel (Vertebrata = "Wirbeltiere") und Schädel (Craniota = "Schädeltiere") haben nämlich weder Neunaugen noch Schleimaale. Knorpelige Bildungen in der Nähe der Chorda dorsalis bei Neunaugen (sog. Arcualia) und larvalen Schleimaalen (siehe Ota et al. 2011) werden wahlweise als Überreste einstiger Wirbel oder als evolutionäre Vorstufe auf dem Weg zu Wirbeln gedeutet. Auch die knorpeligen Strukturen in der Umgebung von Gehirn und vorderen Sinnesorganen (Nase, Ohr) werden ebenfalls als Reste bzw. Vorläufer eines echten Craniums gedeutet. Es gibt also derzeit keinen Grund, den einen oder anderen Namen als "treffender" zu bezeichnen und ich verwende deshalb den Namen "Vertebrata", einfach weil er der gebräuchlichste Name für die "Wirbeltiere" ist.
Die Acrania enthalten nur eine rezente Ordnung, die in der Literatur mehrere Bezeichnungen trägt, jedoch überwiegend als Leptocardii bezeichnet wird. Dieser Bezeichnung liegt der Plural des altgriechischen karda = Herz zugrunde, der korrekt kardiai lauten müsste, jedoch verkürzt und latinisiert als "cardii" wiedergegeben wird, was ich hier übernehme. Bei den Tunicata zeigt die aktuelle Forschung, dass die Seescheiden (zuvor "Ascidiacea") nicht monophyletisch sind, wenn die Thaliacea als separates Taxon herausgenommen werden. Für diese Gruppierung ("Ascidiacea" + Thaliacea) aus Arten, die ihre Chorda dorsalis nach der Metamorphose verlieren, wurde bereits im 19. Jahrhundert der Name Caducichordata geprägt (lat. cadere = entfallen, schwinden). Diesen werden dann die Appendiculaten mit ihrer zeitlebens erhaltenen Chorda dorsalis als Perennichordata gegenübergestellt (lat. perennis = beständig, nie versiegend). Bei den Vertebrata sind viele traditionelle Klassen, wie z. B. die "Reptilia", "Osteichthyes" und "Amphibia" nicht monophyletisch. Ich verwende für die aktuell akzeptierten monophyletischen Gruppierungen die jeweils am meisten benutzte Namensform, mit einer Ausnahme: die Schleimaale. Diese werden bei den meisten Quellen als Myxini bezeichnet. Diese Namensform ist jedoch nomenklatorisch problematisch. Der Name für die Classis leitet sich vom Gattungsnamen Myxine her. Der Plural von Myxine wird nach der altgriechischen Flexion im Plural dann als "Myxinai" gebildet (obwohl nach der Dritten Deklination bei Namen auf -e auch die Form "Myxinaikes" denkbar wäre). Allerdings kommt hier bei der Latinisierung erneut die sehr beliebte Verkürzung des eigentlichen Plurals -ai zu -i zur Anwendung (siehe in der Abbildung auch bei "Leptocardiai" und "Cirrostomai"). Dies ist zwar prinzipiell akzeptabel, führt in diesem speziellen Fall aber von "Myxinai" zu "Myxini", wodurch sich unglücklicherweise die Endung "-ini" bildet, die nun jedoch als Endung für die systematische Kategorie Tribus im International Code of Zoological Nomenclature vorgeschrieben ist. Um Fehlinterpretationen einer Classis "Myxini" als Tribus vorzubeugen, verwende ich hier in der Zoographia Germaniae deshalb die unverkürzte Pluralform Myxinai.


Quellen und Einzelnachweise
Ota K, Fujimoto S, Oisi Y, Kuratani S. 2011. Identification of vertebra-like elements and their possible differentiation from sclerotomes in the hagfish. Nature Commununications 2, 373.



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Zoographia Germaniae wird verfasst und herausgegeben von Niko Prpic-Schäper.
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