Rainer W. Gerling, Datenschutzbeauftragter der Max-Planck-Gesellschaft


Strafgesetzbuch

§ 354 Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses

(1) Wer unbefugt einem anderen eine Mitteilung über Tatsachen macht, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen und die ihm als Bediensteten der Post bekanntgeworden sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Bediensteter der Post unbefugt

  1. eine Sendung, die der Post zur Übermittlung auf dem Post- oder Fernmeldeweg anvertraut worden und verschlossen ist, öffnet oder sich von ihrem Inhalt ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft,
  2. eine der Post zur Übermittlung auf dem Post- oder Fernmeldeweg anvertraute Sendung unterdrückt oder
  3. eine der in Absatz 1 oder in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Handlungen gestattet oder fördert.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für andere Personen, die

  1. von der Post oder mit deren Ermächtigung mit postdienstlichen Verrichtungen betraut sind oder
  2. eine für den öffentlichen Verkehr bestimmte Fernmeldeanlage betreiben, beaufsichtigen, bedienen oder bei ihrem Betrieb tätig sind.

Absatz 1 gilt entsprechend auch für Personen, die mit der Herstellung von Einrichtungen der Post oder einer nicht der Post gehörenden, dem öffentlichen Verkehr dienenden Fernmeldeanlage oder mit Arbeiten daran betraut sind.

(4) Wer unbefugt einem anderen eine Mitteilung über Tatsachen macht, die ihm als außerhalb des Postbereichs tätigem Amtsträger auf Grund eines befugten Eingriffs in das Post- und Fernmeldegeheimnis bekanntgeworden sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Dem Post- und Fernmeldegeheimnis im Sinne der Absätze 1 und 4 unterliegen der Post- und Fernmeldeverkehr bestimmter Personen sowie der Inhalt von Postsendungen und Telegrammen und von solchen Gesprächen und Fernschreiben, die über dem öffentlichen Verkehr dienende Fernmeldeanlagen abgewickelt werden.


Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG)

Bundestagsdrucksache 13/8016 vom 23.06.1997

Artikel 2: Anpassung von Rechtsvorschriften

...

(13) Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160), zuletzt geändert durch .., wird wie folgt geändert:

...

6. § 354 wird § 206 und wie folgt gefaßt:

"§ 206 Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses

(1) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die dem Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen und die ihm als Inhaber oder Beschäftigtem eines Unternehmens bekanntgeworden sind, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Inhaber oder Beschäftigter eines in Absatz 1 bezeichneten Unternehmens unbefugt

  1. eine Sendung, die einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraut worden und verschlossen ist, öffnet oder sich von ihrem Inhalt ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft,
  2. eine einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt oder
  3. eine der in Absatz 1 oder in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Handlungen gestattet oder fördert.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Personen, die

  1. Aufgaben der Aufsicht über ein in Absatz 1 bezeichnetes Unternehmen wahrnehmen,
  2. von einem solchen Unternehmen oder mit dessen Ermächtigung mit dem Erbringen von Post- oder Telekommunikationsdiensten betraut sind oder
  3. mit der Herstellung einer dem Betrieb eines solchen Unternehmens dienenden Anlage oder mit Arbeiten daran betraut sind.

(4) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die ihm als außerhalb des Post- oder Telekommunikationsbereichs tätigem Amtsträger auf Grund eines befugten oder unbefugten Eingriffs in das Post- oder Fernmeldegeheimnis bekanntgeworden sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Dem Postgeheimnis unterliegen die näheren Umstände des Postverkehrs bestimmter Personen sowie der Inhalt von Postsendungen. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche."

...


Begründung:

Zu Nummer 6

Infolge der Umstrukturierung des Post- und Telekommunikationswesens verliert die Strafvorschrift gegen die Verletzung des Post- bzw. des Fernmeldegeheimnisses ihren Charakter als Amtsdelikt, was zu ihrer Verlagerung in den fünfzehnten Abschnitt des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches führt. Da es sich bei sämtlichen Tathandlungen um Offizialdelikte handelt, wird die neu gefaßte Vorschrift dem in § 205 für die Fälle des § 201 Abs. 1 und 2 sowie der §§ 202 bis 204 geregelten Antragserfordernis nachgestellt.

In Absatz 1 sind die "Bediensteten der Post" durch "Inhaber und Beschäftigte eines Unternehmens, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt", ersetzt worden. Denn an Stelle der Deutschen Bundespost erbringen nun die privatrechtlich organisierte Deutsche Post AG und die Deutsche Telekom AG sowie eine erhebliche Zahl von Wettbewerbern Post- oder Telekommunikationsdienste. "Inhaber" im Sinne der Vorschrift sind natürliche Personen in ihrer Eigenschaft als Träger einzelkaufmännischer Unternehmen oder als (Mit-)Eigner von Personenhandels- oder Kapitalgesellschaften u.ä., soweit diese ihrerseits als Unternehmensträger fungieren. Mit dem Merkmal "Beschäftigte" sollen sämtliche Mitarbeiter der in Absatz 1 näher beschriebenen Unternehmen erfaßt werden, gleich ob sie in privatrechtlichen oder (auslaufenden) öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen stehen.

Die auf das "geschäftsmäßige" Erbringen von Telekommunikationsdiensten abhebende Formulierung lehnt sich an § 3 Nr. 5 TKG an. Mit ihrer Verwendung auch in dieser Sanktionsvorschrift wird die Deckungsgleichheit des strafrechtlichen Adressatenkreises mit den gemäß § 85 Abs. 2 TKG zur Geheimhaltung verpflichteten Personen gewährleistet. Nach der Definition in § 3 Nr. 5 TKG ist "geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten" das "nachhaltige Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht". Damit werden z. B. auch Telekommunikationsnetze für geschlossene Benutzergruppen (Corporate Networks), über die möglicherweise in Zukunft erhebliche Teile der geschäftlichen Telekommunikation abgewickelt werden, vom Schutzbereich der Vorschrift umfaßt. Die in Absatz 1 vorgeschlagene Bestimmung des Kreises der Normadressaten orientiert sich auch hinsichtlich des Postwesens an der (künftigen) bereichsspezifischen Regelung: Ein am 5. März 1997 vom Bundeskabinett beschlossener Regierungsentwurf für ein neues Postgesetz (PostG) unterwirft solche Personen der Geheimnispflicht, die Postdienste "geschäftsmäßig" erbringen oder daran mitwirken (§ 39 Abs. 2 i. V. m. § 38 PostG-E).

Absatz 2 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 354 Abs. 2, berücksichtigt jedoch ebenfalls die strukturellen Veränderungen im Post- bzw. Telekommunikationsbereich.

Absatz 3 unterwirft weitere Personen, die nicht dem in Absatz 1 beschriebenen Täterkreis angehören, jedoch gleichfalls von Tatsachen, die dem Geheimschutz unterliegen, Kenntnis erlangen können, derselben strafrechtlichen Sanktion.

In Nummer 1 sind Personen angesprochen, die gegenüber den in Absatz 1 aufgeführten Unternehmen Aufsichtstätigkeiten ausüben. Dies sind vor allem Beschäftigte innerhalb der verbliebenen Hoheitsverwaltung des Bundes im Post- und Telekommunikationsbereich, so beim Bundesamt für Post- und Telekommunikation bzw. der künftigen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. In der Regel sind diese Personen Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2. Maßgeblich ist allerdings nicht ihr öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Status; angeknüpft wird vielmehr an ihre berufsspezifische Funktion, die ihnen unter Umständen den Zugang zu geheimnisgeschützten Tatsachen eröffnen kann. Denkbar ist, daß die in Absatz 1 bezeichneten Unternehmen sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht nur eigener Beschäftigter, sondern - auf der Grundlage privatrechtlicher Vereinbarungen - auch anderer Personen bzw. Unternehmen bedienen, die ihrerseits nicht die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen. Für solche Personen bzw. die Inhaber und Beschäftigten solcher Unternehmen, aber auch für von ihnen mit Ermächtigung des ursprünglichen Auftraggebers eingeschaltete weitere Personen gilt die in Nummer 2 enthaltene Regelung. Nummer 3 ergänzt den strafrechtlichen Schutz des Post- bzw. Fernmeldegeheimnisses durch Ausdehnung der Sanktionsdrohung auf die Inhaber und Beschäftigten von Hersteller- und Serviceunternehmen für technische Anlagen und entspricht damit dem bisherigen § 354 Abs. 3 Satz 2, allerdings mit der Maßgabe, daß nunmehr auch die Anwendung von Absatz 2 angeordnet wird, womit eine Strafbarkeitslücke des geltenden Rechts (Lenckner in Schönke/Schröder, Rn. 34 zu § 354) geschlossen wird.

Absatz 4 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 354 Abs. 4. "Außerhalb des Post- und Telekommunikationsbereichs" tätig sind Amtsträger, die weder bei einem der in Absatz 1 bezeichneten Unternehmen noch in der verbliebenen Hoheitsverwaltung des Bundes beschäftigt sind. Durch die ausdrückliche Erstreckung der Sanktionsnorm auf mittels unbefugter Eingriffe in das Post- oder Fernmeldegeheimnis bekanntgewordene Tatsachen wird insbesondere die bisherige, in der Sache nicht zu rechtfertigende strafrechtliche Besserstellung von Amtsträgern beseitigt, die den unbefugten Eingriff zwar nicht selbst vorgenommen haben, die ihnen hierdurch bekanntgewordenen Tatsachen aber unbefugt weitergeben; für diese Fälle sieht das geltende Recht lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor (§ 203 Abs. 2).

Absatz 5 enthält aktualisierte Definitionen des Post- bzw. Fernmeldegeheimnisses. Wegen der institutionellen Einheit der Deutschen Bundespost wurde bisher auch das "Post- und Fernmeldegeheimnis" als Einheit verstanden. Künftig wird entsprechend der Trennung der Dienstleistungsunternehmen vom "Post- oder Fernmeldegeheimnis" gesprochen. In diesem Lichte ist auch die neu gefaßte Überschrift zu sehen. Dem Geheimnisschutz werden sämtliche Übermittlungsgegenstände unterstellt; eine gesonderte Hervorhebung einzelner Telekommunikationsvorgänge bzw. Postsendungen ("Telegramme") erschiene mit Blick auf dieses Regelungsziel überflüssig, wenn nicht gar verunklarend. Die Sätze 2 und 3 im Absatz 5, die das Fernmeldegeheimnis umschreiben, sind § 85 Abs. 1 TKG nachgebildet. Der auf das Postgeheimnis abhebende Wortlaut von Satz 1 lehnt sich an die Formulierung in § 39 Abs. 1 PostG-E an. Die als Folge dieser bewußten Orientierung an den bereichsspezifischen Regelungen zu Tage tretenden Formulierungsunterschiede stehen in keinem Zusammenhang mit der inhaltlichen Reichweite des Post- bzw. des Fernmeldegeheimnisses. Vielmehr strebt der Entwurf keine Änderung des sachlichen Regelungsgehaltes im Vergleich zum bisherigen § 354 Abs. 5 an.


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zuletzt geändert am 24. September 1997 von Rainer W. Gerling