Neue Klagewelle gegen ASten
RCDS und Reps klagen * Niedersächs. ASten geschützt?
Ganze 1000 DM kostete den AStA in Marburg die Aussage, daß die gesellschaftliche Situation in der BRD durch Massenarbeitslosigkeit, Kürzungen im sozialen Bereich und der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben geprägt sei. Zudem, so die Marburger, seien AusländerInnen verstärkt von diesen Entwicklungen betroffen. Nun enthält diese Aussage wahrlich nichts Umwerfendes oder gar Neues. Es handelt sich aber um eine sogenannte allgemeinpolitische Äußerung, zu welcher der AStA nicht befugt war und ist. Es war dies nicht das erste Ordnungsgeld, welches der AStA der Uni Marburg zu zahlen hatte: in den vergangenen 19 Monaten mußten insgesamt 27 000 DM gezahlt werden. Geklagt hatte immer ein Vertreter der Hochschulgruppe der Republikaner.

Marburg: Schon 27.000 DM

Im jüngsten Fall aus Marburg ging es dem AStA um die Beschreibung der Situation ausländischer Studierender. Hierzu erscheint es angebracht, die Ursachen oder zumindest die rechtlichen Regelungen darzulegen. Dies aber führe zu einer Aussage, die nicht unmittelbar hochschulpolitisch sei und deshalb nicht getroffen werden dürfe. Zwar ist es unsinnig, Hochschulpolitik unabhängig vom gesellschaftlichen Konsens zu betrachten, doch in diesen Fällen - so die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes - sei der "Zwangs-verband zu größtmöglicher Zurückhaltung verpflichtet".
Die Charakterisierung der verfaßten Studierendenschaft (AStA und Fachschaften) als "Zwangsverband" bildet die rechtliche Grundlage für die inzwischen unzähligen Klagen und Urteile gegen allgemeinpolitische Äußerungen von ASten in der BRD (siehe Stichwort).

Veranstaltung zum Asylrecht: 5.000 DM

In anderen Städten klagen nicht die Republikaner, sondern der RCDS und ihnen Nahestehende. In Münster betreibt ein solcher dem RCDS sehr nahestehender Student seit Jahren sein Hobby mit dem Klagen und überzog seither den dortigen AStA mit 25 Klagen. Begonnen hatte die Klagewelle, weil sich der AStA für die Einführung eines Semestertickets ausgeprochen hat. Dies sei laut Urteil nicht "unmittelbar hochschulbezogen".
Vor wenigen Tagen erhielt der AStA der FU Berlin einen Ordnungsgeldbescheid über 5000 DM, weil dieser zu einer Veranstaltung zur Asylpolitik eingeladen hatte. Außerdem untersag-te das Gericht unter Androhung eines höheren Ordnungsgeldes die Durchführung der Veranstaltung. Die meisten Klagen sind absurd: So gab es ein Ordnungsgeld für die Fachschaft Soziologie der Universität Münster, weil in deren Informationsorgan ein "sozial-kritisches" Gedicht abgedruckt wurde.

Hoffnung auf Landesgesetze

Erst die Verankerung des politischen Mandates in den Landeshochschulgesetzen kann dem unsinnigen Treiben ein Ende bereiten. So hat der AStA der Uni Münster durch das neue Universitätsgesetz für NRW seit etwa einem Jahr Ruhe und auch in Niedersachsen wurde das politische Mandat aufgenommen. In Hessen wird es bald enthalten sein, bis zur Verabschiedung des Hessischen Hochschulgesetzes aber können RCDS und Republikaner weiter mit Hilfe der Gerichte den demokratisch gewählten VertreterInnen der Studierendenschaft einen Maulkorb umhängen. Natürlich wurde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Aufnahme des allgemeinpolitischen Mandates in das NRW-Landeshochschulgesetz vor zwei Wochen geklagt. Zur großen Überraschung aber wies das Bundesverfassungsgericht die Klage ab. Viel hängt aber noch von der Auslegung der Landesgesetze durch die Gerichte ab.

Früher ein nationalpolitisches Mandat

Interessant hierbei ist, daß die verfaßte Studierendenschaft ein "Zwangsverband" auch dann schon war, als die Asten von nicht-linken Gruppen gestellt wurden. Das war bis in die 60er Jahre hinein der Fall und die Asten nahmen ein "national-politisches Mandat" wahr, mit dem sie sich sehr zum Wohlwollen der Regierenden äußerten. Erst als linke Gruppen die Mehrheiten in den Studierendenparlamenten bekamen und die Asten "links" wurden, tauchte das "Problem" mit dem (allgemein-) politischen Mandat auf und die Klagewelle nahm nicht ab. In Bayern und Ba-den-Württemberg gibt es die verfaßte Studierendenschaft wie wir sie hier kennen, seither gar nicht mehr, da die Landesregierungen diese kurzerhand abschafften. Im AStA ist weiteres Material zu dem Thema erhältlich.
Gremien-Krampf
OLLAfA für Gentech / Grüne für Autos?!

Eins ist klar: Die Unis sollen in Zukunft - darin sind sich alle Parteien einig - ihre Angelegenheiten verstärkt selber regeln. Die Frage, wie sich die studentischen VertreterInnen in den entsprechenden Gremien (Fakultätsräte, Senat, Konzil und Kommissionen) verhalten, wird also immer wichtiger. Daß die akademische Selbst-
verwaltung keineswegs demokratisch organisiert ist (die Profs haben immer die Mehrheit) kann dabei kein Argument für den Rückzug aus diesem Feld politischer Arbeit sein: Man kann kaum glaubwürdig für bessere Mitbestimmungsrechte eintreten, ohne die schon bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Und außerdem sind im Niedersächsischen Hochschulgesetz eine Menge Regeln zum Schutz der Minderheiten in den Gremien verankert.

Jusos aus Kommissionen geschmissen

In der Praxis hapert es aber schon heute gewaltig. Zwei Beispiele: Die Entscheidung für das millionenschwere ‚Zentrum für molekulare Biowissenschaften' fiel mit der Stimme des Vertreters der OLLAfA, jener Gruppe also, die zuvor so heftig gegen das Projekt protestiert hatte. Grund: Die Sitzung sei so ermüdend gewesen, daß der Vertreter, aus süßem Schlummer erwacht, einfach die Hand gehoben habe, als dies alle taten. Oder: Der Bau der völlig überflüssigen Parkplätze am Campus wäre zu verhindern gewesen, wenn der Vertreter der GHG, die sich vorher vehement für den Erhalt der Grünflächen ausgesprochen hatte, bei der entscheidenden Sitzung anwesend gewesen wäre. Ähnliche Fälle ließen sich in fast beliebiger Zahl anführen - so haben die Rechten in vielen Kommissionen die ihnen zustehenden Sitze bis heute nicht besetzt. Das Ganze wird doppelt ärgerlich, wenn man betrachtet, wie die Gremienarbeit für politische Sandkastenspielchen instrumentalisiert wird. So haben sich GHG, OLLAfA und Frauenliste bei der letzten Wahl geweigert, für den Senat auf einer gemeinsamen Liste mit der Juso-HSG zu kandidieren. Grund: Die Jusos wollten die Antifaschistische Liste (AL), die erwiesen- und eingestandenermaßen nicht das geringste Interesse an der Gremienarbeit hat, nicht auf der Liste haben. Weil die Jusos in den Augen der anderen Linken so böse sind, dürfen sie nun ihre erfolgreiche Arbeit in den Senatskommissionen nicht fortsetzen. Schade, daß ihre NachfolgerInnen allzu oft mit Abwesenheit und Desinteresse glänzen.

 


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