Masdi Galin Hanom

Die Erzählungen der Masdi Galin Hanom

Gesammelt von L. P. Elwell-Sutton, Hg. von Ulrich Marzolph und Azar Amirhosseini-Nithammer 1994. 4°. 2 Bde.
Teil 1: Text, XII, 18, 497 Seiten, DM 98,- (3-88226-621-X)
Teil 2: Begleitband. VIII, 66 Seiten DM 36,- (3-88226-627-9)

Der iranische Raum ist als Durchgangsgebiet auf der vermuteten Wanderung der Märchen und als jahrtausendealter "Schmelztiegel" kultureller Wertvorstellungen von besonderer Bedeutung für das Fachgebiet der vergleichenden Erzählforschung. Dennoch liegen bislang nur wenige zuverlässige Dokumente der mündlichen Erzählüberlieferung der Region vor, die sich heute ebenso wie die Traditionen benachbarter Regionen nur schwer gegen die modernen Kommunikationsmedien behaupten kann. Die hier veröffentlichten Erzählungen nach dem authentischen und weitestgehend unverfälschten mündlichen Vortrag einer alten persischen Kinderfrau stellen in mehrfacher Hinsicht ein einmaliges Dokument dar: Zum einen stammen die Märchen und Geschichten aus den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts und sind somit zu einer Zeit aufgezeichnet, bevor in Iran nennenswertes Interesse für Folklore und populäres Erzählgut entstand; zum anderen stellen die Texte das weitaus größte publizierte Corpus einer einzigen Erzählerpersönlichkeit aus dem gesamten Vorderen Orient dar; zum dritten schließlich sind alle Texte ohne entscheidende Eingriffe nach der Niederschrift des Sammlers publiziert und stellen mit fast 500 Seiten in der schlichten und volkstümlichen Teheraner Umgangssprache der 40er Jahre das größte bislang veröffentlichte Textcorpus in persischer Umgangssprache überhaupt dar.

Abgesehen von diesen wissenschaftlich bedeutsamen Aspekten handelt es sich bei den von Masdi Galin Hanom erzählten Märchen, Schwänken und Gedichten um ansprechend präsentierte, humorvolle und amüsant zu lesende Texte. Es sind keine Kunstmärchen mit der sprachlichen Rafinesse der klassischen persischen Romane, sondern bescheidene, unscheinbare aber nichtsdestoweniger wertvolle Kunstwerke einer begabten Erzählerin aus dem Volk. Sie sind besonders für den persischen Muttersprachler ein Lesevergnügen ersten Ranges, eignen sich darüber hinaus aber auch für den Einsatz als ansprechendes Übungsmaterial im persischen Sprachunterricht an Universitäten, Volkshochschulen und Schulen für iranische Kinder außerhalb des Vaterlandes.

Der Textband enthält neben einem allgemein gehaltenen deutschen und persischen Vorwort sowie weiterführenden Literaturhinweisen die persischen Originaltexte der 117 von Masdi Hanom erzählten Geschichten sowie eine Erzählung, die dem Sammler von dem iranischen Journalisten Ali Gavaher-Kalam mitgeteilt wurde. Der Begleitband enthält Bemerkungen zu den Kriterien der Textedition, sprachliche und inhaltliche Kommentare, ausführliche Dokumentationen und Indices sowie die Gegenüberstellung verschiedener Fassungen zweier Texte in Umschrift.