Der Cultural Assimilator1
(Andreas Ohlemacher)
Einleitung
Das Referat behandelt die Fragen:
-
Was ein Cultural Assimilator ist;
-
Wie und Wo die Cultural Assimilator Technique angewandt werden kann;
-
Wie ein Cultural Assimilator erstellt und entwickelt werden kann;
-
Welche Vor- und Nachteile die Cultural Assimilator Technique als Methode
interkulturellen Lernens aufweist.
Begriff
Die Cultural Assimilator Technique kann wörtlich als "Kulturelle Anpassungsmethode"
übersetzt werden. Da allerdings die Assimilation an die Zielkultur
nicht das Ziel der Methode ist (vgl. u.), ist die Übersetzung "Methode
zur kulturellen Sensibilisierung" vorzuziehen.2
Grundvoraussetzungen
Die Cultural Assimilator Technique wird bei der Begegnung genau zweier
Kulturen, auch gesellschaftlicher Subkulturen, eingesetzt; der jeweilige
Assimilator ist für die Mitglieder einer der beiden Kulturen, die
der anderen begegnen, geschrieben. Da es sich beim Cultural Assimilator
um ein in verbalisierter Form als Buch vorliegendes Instrument handelt,
ist die einzige verbindliche Voraussetzung zur Nutzung dieses Instrumentes
die Alphabetisiertheit des Lerners in der Sprache, in der der Assimilator
verfaßt ist.
Einstiegsbeispiel
Man stelle sich vor, man habe als Europäer in Brasilien einen brasilianischen
Freund angerufen, z. B. um eine Termininformation zu erfragen. Da man unter
einem gewissen Zeitdruck steht, beendet man das Telefonat, nachdem man
die Information erhalten hat, allerdings nicht, ohne sich - wie sonst auch
immer - verabschiedet zu haben. Bei der nächsten Begegnung wird man
von dem Bekannten mit einer gewissen Kühle behandelt und merkt, daß
der andere verstimmt ist. Warum?3
Was ist ein Cultural Assimilator?
Ein Cultural Assimilator ist ein Buch mit Text. Dieses Buch stellt eine
Reihe typischer Situationen aus Begegnungen eines Mitglieds einer Kultur
mit Mitgliedern einer anderen Kultur dar. Diese Situationen sind für
das Mitglied der Ausgangskultur konfliktreich, verwirrend oder leicht mißzudeuten;
mit adäquatem Wissen über die Zielkultur aber eindeutig zu interpretieren.
Jeder Situation sind - in der Regel vier - Interpretationsvorgaben beigegeben.
Eine Interpretationsweise ist die der Zielkultur, die anderen sind typische,
von der erstgenannten abweichende Interpretationsweisen aus der Kultur
des Lerners.
Diese Interpretationen können in ihrem Schwerpunkt von Gedanken
oder Gefühlen oder Verhaltensmustern der an der Situation beteiligten
Personen her erstellt sein.
Den Antworten sind Verweisseiten beigegeben; der Lerner wählt die
Antwort aus, die ihm als aus der Zielkultur stammend erscheint, blättert
zur entsprechenden Seite und findet dort Bestätigung oder Nicht-Bestätigung
seiner Wahl und zusätzliche Information, die - besonders bei der richtigen
Wahl - den der Situation zugrundeliegenden Kulturstandard4
näher erläutert. War die Wahl falsch, wird er zur Ausgangssituation
zurück-, bei richtiger Wahl zur nächsten Situation weiterverwiesen.
Die Situationen sind nach Kategorien (z. B. Bereich der Gastfreundschaft)
mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad der Interpretation und ansteigender
Spezialisierung geordnet (vgl. u.).
Ein kurzer Blick auf Ziel, Hintergrund und Entstehung der Methode
Über Kognition sollen neben die eigenen Interpretationsmuster des
Lerners für Verhalten und Handlungen die der Menschen der Zielkultur
gestellt und zur zweckmäßigen Anwendung auf Situationen bei
einer realen Begegnung vorbereitet werden, "um ... Ziele und Bedürfnisse
sicherer, schneller, mit weniger Aufwand"5
erreichen zu können.
Dabei wird davon ausgegangen, daß Menschen Umwelteindrücke
gemäß kulturell geprägten Konzepten6
wahrnehmen (auswählen), interpretieren, beurteilen und darauf reagieren.
Ziel ist nicht das Aufgeben der eigenen Standards, sondern das
Erlernen einer fremden Kultur7 aus typischen
Situationen und den aus ihnen ableitbaren Kulturstandards zur Vorbereitung
auf konkrete Begegnungen mit Menschen einer fremden Kultur in deren oder
im eigenen Kontext (z. B. Land).
Die Cultural Assimilator Technique entstand 1966 aus einer kommunikationswissenschaftlichen
Studie an der Universität Illinois (USA); dieser erste Assimilator
beschäftigte sich mit arabischer Kultur. Es ist für die praktische
Zielsetzung dieser Methode interkulturellen Trainings bezeichnend, daß
ihre Entwicklung im Forschungsbereich interkultureller Kommunikation begann.
An der Universität Illinois werden immer noch dier meisten Cultural-Assimilators
entwickelt. Der (vermutlich) neueste Cultural Assimilator ist zugleich
der erste, der auf Deutsche als Lerner zugeschnitten ist, das "Interkulturelle
Orientierungstraining für die USA" von Andrea Müller und Alexander
Thomas (Stuttgart 1991). Cultural Assimilators gibt es für eine Vielzahl
verschiedener Gebiete internationaler und intranationaler (auf die USA
bezogener) kultureller Begegnung; die weit überwiegende Zahl entstand
in den USA.8 Sie decken Themen wie den
Studentenaustausch, die Armee, den Umgang mit Unterprivilegierten in der
US-Gesellschaft u. v. m. ab.
Wie wird ein Cultural Assimilator erstellt?9
Die Erstellung eines Cultural Assimilators läßt sich grob in
fünf Phasen einteilen:
I Sammlung von Situationen
II Auswahl von Situationen
III Sammlung von Attributionen
IV Auswahl von Attributionen
V Erstellung des Cultural Assimilators
Alle Zwischenergebnisse sollten mit Menschen aus den beiden jeweils
betroffenen Kulturen und von Experten10
überprüft werden; unerläßlich für die Entwicklung
eines Assimilators ist also der Zugang und die Kenntnis möglichst
vieler Menschen beider in Frage kommenden Kulturen. Parallel zu den beiden
Sammel- und Auswahlprozessen muß eine Sammlung genereller Informationen
zur Kultur des Ziellandes stattfinden; diese Informationen werden im letzten
Teil des Erstellungsprozesses mit dem anderen Material verwoben (s. u.).
Da der Erstellungsprozeß Wesentliches über den Charakter
und die Qualität dieses Instrumentes interkulturellen Trainings deutlich
werden läßt, werden die einzelnen Schritte im folgenden kurz
beschrieben.
I Situationen sammeln
In einem ersten Schritt werden möglichst viele möglichst geeignete
Situationen gesammelt. Zunächst ist eine geeignete Situation "jede
beobachtbare menschliche Aktivität, die genügend vollständig
ist, um Folgerungen und Vorhersagen über die handelnde Person zu erlauben"11,
wobei vorher festzulegen ist, welche Kulturen einander begegnen werden
und welche Kultur in welcher Rolle dargestellt werden wird (Lernerkultur,
Zielkultur)12. Die Situationen sollen
aus den Begegnungen dieser beiden Kulturen stammen.
Zur Erhebung der Situationen gibt es verschiedene Möglichkeiten,
die letztlich alle auf der Critical Incident Analysis beruhen: Die Situationen,
die - gegebenenfalls leicht standardisiert - aufgeschrieben werden, können
eigener und fremder kompetenter Erfahrung entstammen, aus Fragebögen,
Tiefen-Interviews, Gruppendiskussionen und der Literatur13
gewonnen werden. Bei Personenbefragungen und Diskussionen ist unbedingt
der Gesprächsrahmen festzuhalten, um bei den Auswertungs- und Auswahlschritten
im folgenden aus den Situationen resultierende Verzerrungen erkennen und
beseitigen zu können.
Sinnvoll ist es, "Attributionen", erklärende oder deutende Aussagen
über die Situationen festzuhalten, auch wenn sie erst in einem späteren
Schritt systematisch be- und erarbeitet werden.
II Situationen auswählen
Aus der Sammlung von Situationen, die man selber oder Mitarbeiter erhoben
haben14, wird Unsinniges und Ungenaues
gestrichen und Gleiches zusammengefaßt, vielleicht in den Formulierungen
leicht gestrafft. Die übrig bleibenden Situationen sollten von Experten
überarbeitet werden.
Die so gewonnenen Situationsbeschreibungen müssen genau, glaubwürdig
und spannend dargestellt sein, um zukünftige Lerner als Leser interessiert
zu halten.
III Attributionen sammeln
Interpretationsmöglichkeiten zu den gesammelten Situationen erhält
man am besten auf zwei Wegen: Einerseits sollte man selber Fragen an die
Situationen stellen und aus den möglichen Antworten auf diese Fragen
Deutungsmöglichkeiten sammeln. Die Fragen können auf den affektiven,
den kognitiven und auch den Verhaltensbereich zielen.
Andererseits ist es sinnvoll, die Situationen Mitgliedern beider betroffener
Kulturen vorzulegen und von ihnen Deutungen anbringen zu lassen. Zusätzlich
können Erklärungsmöglichkeiten aus der Literatur herangezogen
werden. Die einzelnen Situationen und die ihnen jeweils zugeschriebenen
Deutungsmöglichkeiten sollten getrennt nach den Deutungen der Mitglieder
je einer Kultur festgehalten werden.
IV Attributionen auswählen
Wieder muß zunächst Absurdes und Unsinniges herausgefiltert
werden. Gleichzeitig müssen Situationen, die von Mitgliedern beider
Kulturen gleich gedeutet wurden, herausfallen, da der Cultural Assimilator
auf das Lernen an der Differenz abzielt (dazu vgl. u.).
Die verbliebenen Antworten werden nach Kulturen gruppiert den jeweiligen
Situationen zugeordnet; dabei sollen in der Regel drei Deutungen aus der
Kultur des zukünftigen Lerners und eine Deutung aus der Zielkultur
kommen.
Die drei wichtigsten Maßstäbe der endgültigen Situationsauswahl
sind
-
die unzweideutige Erklärbarkeit der jeweiligen Situation aus dem Verständnis
der jeweiligen Zielkultur heraus;
-
die Bedeutsamkeit der jeweiligen Situation im Rahmen der Kultur und der
interkulturellen Begegnung für das Verständnis der Ziel- oder
der lernereigenen Kultur, und
-
die relative Häufigkeit des Auftretens der Situation.
Insgesamt muß damit gerechnet werden, daß von den zu Anfang
gesammelten Situationen die Hälfte bis zwei Drittel als ungeeignet
aussortiert werden müssen.
V Assimilator erstellen
Die übrig gebliebenen Situationen werden grob nach Kategorien (z.
B. Gastfreundschaft, Begrüßungsriten), innerhalb der Kategorien
nach ansteigendem Schwierigkeitsgrad der Interpretation und die Kategorien
innerhalb des Buches nach zunehmender Spezialisierung geordnet. Zu den
Attributionen werden die Verweise und Reaktionen geornet; in die Reaktionen
werden die zusätzlichen relevanten Informationen (vgl. o.), die aus
den Befragungsergebnissen, Literatur und eigener Erfahrung gewonnen sein
können, eingefügt. Am Schluß liegt der Cultural Assimilator
als ein programmiertes Lehrbuch vor.
Einordnung der Cultural Assimilator Technique in die Kurs-Kategorien
Die einordnung der Cultural Assimilator Technique in die im Blockseminar
verwandten Kategorien sind dem Anhang zu entnehmen.
Welche Vor- und Nachteile weist die Cultural Assimilator Technique als
Instrument interkulturellen Trainings auf?15
Grundsätzliche Vorteile des Assimilators sind
-
die Aufnahme sehr verschiedener Aspekte aus der Lebenswirklichkeit der
Zielkultur und der Begegnungssituation;
-
der relativ kurze Zeit- und geringe Kostenaufwand für den Leerndurchgang;
-
die Planbarkeit des Spezialisierungsgrades der Darstellung, da sich die
Zielgruppe relativ genau festlegen läßt;
-
die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Assimilators für Eigen-
oder Gruppenarbeit;
-
die einfache Handhabung, und daß keine zusätzlichen Materialien
zum Lernen notwendig sind;
-
die Häufigkeit, mit der ein Assimilator eingesetzt werden kann; da
er abgesehen davon, daß man selber mehrere Lerndurchgänge vollziehen
kann, auch an andere mühelos weitergegeben werden kann;
-
die Kombinierbarkeit mit anderen Methoden wie Rollenspielen oder Gruppendiskussionen;
-
die Möglichkeit, Situationen des Assimilators selber zu Rollenspielen
umzuarbeiten, und
-
die relativ erwiesene Effizienz der Cultural Assimilator Technique.
Bei Albert (S. 200-211) sind die vierzehn zur Erscheinungszeit des Aufsatzes
vorliegenden Studien über die einzelnen Assimilators dargestellt.
Aus ihnen wird - sehr grob zusammengefaßt - deutlich, daß sich
für die jeweiligen Zielgruppen durch den Einsatz der Cultural Assimilator
Technique nicht unbedingt die Sach-, wohl aber die Sozialkompetenz verbessert
hat: Die verschiedenkulturellen Gruppen konnten in angenehmerer Atmosphäre
und mit mehr Verständnis füreinander miteinander umgehen als
die meisten Vergleichsgruppen. (Hier wurden auch Qualitätsunterschiede
zwischen den Assimilators deutlich, bei deren Bewertung allerdings der
Schweregrad der Zielsituation berücksichtigt werden muß.) Teilweise
verbesserte sich auch die Selbstkompetenz der Teilnehmer dahingehend, daß
sie sich der Situation besser gewachsen fühlten, Angst und Unsicherheit
reduziert waren. Innerhalb der Lerndurchgänge wurde von der ersten
bis zur letzten situation stets eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse
("Trefferquote" bei der Antwortwahl) festgestellt.
Allerdings sind auch wesentliche Nachteile festzustellen:
-
Die Cultural Assimilator Technique ist eine rein intellektuelle Herangehensweise
an die Vorbereitung auf interkulturelle Begegnungen; der affektive und
der sensomotorische Bereich werden - wenn überhaupt - nur sehr begrenzt
durch den Cultural Ssimilator erreicht.
-
In einem Assimilator werden wahrscheinlich nicht alle Mißverständnisse
und deren Quellen erfaßt.
-
Durch die Verbalisierung der Darstellungen und der Hintergründe ist
der Lernumfang begrenzt und auf den kognitiven Bereich eingeschränkt.
-
Um der Lesbarkeit willen können die einzelnen Situationen nur begrenzt
komplex sein; sehr komplizierte Konstellationen müssen auf mehrere
Situationen aufgeteilt werden.
-
Aktualisierungen der jeweiligen Assimilators sind stets notwendig, da sich
Kulturen verändern.
-
Die Erstellung eines cultural Assimilators ist sehr aufwendig; nach Dadder
(S. 80) ist mit neun Monaten oder 800 Stunden Arbeitszeit für die
Erstellung eines Assimilators zu rechnen.
-
Der Cultural Assimilator geht vom Lernen an der Differenz aus; Übereinstimmungen
zwischen den Kulturen, die gerade positive Anknüpfungspunkte bieten
könnten, müßten zusätzlich von Trainern eingebracht
werden.16
Insgesamt erscheint die Cultural Assimilator Technique, da sie relativ
bewährt und erforscht ist, vielfältige und erweiterbare Anwendungsmöglichkeiten
bietet und selber den Rahmen iherer Anwendbarkeit genau bestimmt trotz
aller Nachteile als eine sehr geeignete Methode interkulturellen Trainings.
Schlußbeispiel
Das abschließende Beispiel wurde Müller/Thomas, S. 77 f (und
Auswertungsseiten S. 87 f) entnommen und ist dem ausformulierten Referat
im Anhang beigegeben.
Literatur
Abert, Rosita Daskal: The Intercultural Sensitizer or Culture Assimilator:
A Cognitive Approach. In: Laudis/Brislin: Handbook of Intercultural Training;
Band 2, New York u. a. 1983, S. 186-217.
Dadder, Rita: Interkulturelle Orientierung: Analyse ausgewählter
Interkultureller Trainingsprogramme, Kap. 2.2: Der Kultur-Assimilator,
Saarbrücken u. a. 1987, S. 74-81.
Müller, Andrea/Thomas, Alexander: Interkulturelles Orientierungstraining
für die USA: Übungsmaterial zur Vorbereitung auf ein Studium
in den Vereinigten Staaten, Saarbrücken u. a. 1991 (S. 7-13 als Einführung).
Porter, Richard E./Samovar, Larry A.: Approaching Intercultural Communication.
In: dies.: Intercultural Communication. A Reader, Belmont, CA 1983, S.
15-30.
Sandhaas, Bernd: Models, Methods and Basic Elements of Intercultural
Learning - An Educational Approach. In: Peter Funke: Understanding the
USA. A Cross-Cultural Perspektive, Tübingen 1987.
ANHÄNGE
Kurs-Matrizes
Matrix zur Klassifikation und Bewertung von Methoden
(nach Sandhaas 1992)
|
Methode |
|
Kriterium |
|
CAT |
INHALTSBEREICH |
kulturunspezifisch
kulturspezifisch |
|
LERNZIELBEREICH |
kognitiv
affektiv
motorisch |
evtl. von den Interpretationen her |
LERNFORM |
didaktisch
expertentiell |
|
ERWARTETES LERNERVERHALTEN |
passiv
aktiv
unbekannt
selbstentdeckend |
Info-Anteile
Reflektion auf eigene Kultur |
GRAD DES FEHLVER-
HALTENSRISIKOS/DER ENTHÜLLUNG |
nieder
mittel
hoch |
nur sich selbst gegenüber |
AUSMAß DES LERNEFFEKTS |
|
begrenzt aber gesichert |
ZEITBEDARF |
|
2-6 h |
TEILNEHMERZAHL |
|
auch für Gruppen anwendbar |
LERNERGRUPPE |
monokulturell
multikulturell |
|
Intercultural Learning Continuum
Culture/Ethnic Groups |
CAT |
Ethnocentrism |
beseitigt/ problematisiert |
Awareness |
entwickelt |
Understanding |
fraglich |
Acceptance/respect |
Ziel, nicht sicher |
Acceptance/valuing |
Ziel, nicht sicher |
Selective Adoption |
unbestätigt |
Assimilation |
nicht Ziel |
Adaptation |
(Ziel) |
Biculturalism |
Ziel |
Multiculturalism |
nicht Ziel |
Schlußbeispiel aus Müller/Thomas
"Sylvia und Chris, ihr amerikanischer Mitbewohner, bastelten ziemlich
viel zusammen an ihren Autos. Eines Tages stellte Sylvia fest, daß
sie die Zündkerzen wechseln mußte. Da sie dies noch nie gemacht
hatte und deshalb überhaupt keine Ahnung hatte, wie das ging, fragte
sie Chris, ob sie das mal zusammen erledigen könnten. Sylvia wollte
gerne mit Chris einen Zeitpunkt ausmachen, wann sie den Zündkerzenwechsel
durchführen könnten, doch es gelang ihr nicht, Chris auf einen
bestimmten Tag festzulegen. Sylvia schlug einige Male einen Tag vor, an
dem Chris auch meinte, daß es bei ihm wahrscheinlich klappen könnte.
Doch an dem betreffenden Tag war Chris meist gar nicht da oder er hatte
doch keine Zeit. Ein paar Tage später trafen sich beide zufällig
am Nachmittag vor der Garage und stellten fest, daß jetzt jeder Zeit
für die Reparatur hätte. Chris wechselte daraufhin sofort mit
Sylvia die Zündkerzen.
Überlegen Sie bitte, warum es nie geklappt haben könnte, mit
Chris einen Zeitpunkt zum Zündkerzenwechseln zu vereinbaren!
(1) Chris wollte mit Sylvia keinen Termin vereinbaren, weil er eigentlich
keine Lust hatte, die Zündkerzen zu wechseln.
(2) Chris hatte viel um die Ohren und wollte sich daher zeitlich nicht
festlegen, um sich in seinen Zeitplänen nicht noch mehr als notwendig
nach anderen richten zu müssen.
(3) Christ liebte es, in den Tag hinein zu leben und nicht alles im
voraus zu planen.
(4) Da in den USA auf Selbständigkieit großer Wert gelegt
wird, dachte Chris, daß Sylvia ruhig erst einmal selber versuchen
sollte, die Zündkerzen zu wechseln. ...
zu Antwort 1:
Das kann zwar im Einzelfall durchaus verkommen, im allgemeinen gelten jedoch
Amerikaner nicht zu Unrecht als sehr hilfsbereit.
In diesem Fall gibt es eine allgemeingültigere Erklärung.
...
zu Antwort 2:
Hier haben Sie die bestmögliche Erklärung gewählt.
Es wird damit genau das Bedürfnis der Amerikaner nach Unabhängigkeit
angesprochen. Amerikaner sind bemüht, soziale Verpflichtungen
so gering wie möglich zu halten, um weitgehend frei und nur unter
Beachtung der eigenen Ziele und Interessen handeln zu können. Der
persönliche Handlungsspielraum soll nicht mehr als notwendig durch
Verpflichtungen eingeengt werden. Da bei amerikanischen Studenten dieser
Handlungsspielraum aufgrund von Studium, Job und sozialen Engagements meist
schon stark verplant und eingeschränkt ist, sind sie umso mehr bemüht,
sich den bißchen verbleibenden Freiraum zu erhalten. Es hat folglich
wenig Sinn, wenn man als Deutscher versucht, mit einem Amerikaner eine
Sache langfristig zu planen und auf einen festen Termin zu beharren, da
dieser die Zusage nie als so verbindlich ansehen wird und sie eventuell
eben nicht einhalten wird, wenn ihm der Zeitpunkt nicht mehr so recht ins
persönliche Konzept paßt. Am besten man macht erst relativ kurzfristig
etwas aus und sichert dies dann kurz vorher noch einmal ab. ...
zu Antwort 3:
Nein, das Verhalten von Chris beruht nicht darauf, daß Amerikaner
weniger Wert auf einen Zeitplan legen. Ganz im Gegenteil, bei Amerikanern
ist die Zeit oft stark verplant und voll mit Aktivitäten. Das Nicht-Einlassen-Wollen
auf eine feste Vereinbarung hängt nicht damit zusammen, daß
man allgemein am liebsten auf so etwas wie Zeiteinteilung und -planung
verzichtet, sondern hat einen anderen Hintergrund. Überlegen Sie welcher!
...
zu Antwort 4:
Für Amerikaner hat zwar Selbständigkeit und Unabhängigkeit
einen hohen Wert, so daß Amerikaner besonders stolz auf das sind,
was sie selbst geleistet und geschafft haben, und der "Jack-of-all-trades",
der erfinderische Bastler und Heimwerker, immer noch Anerkennung erfährt.
Dies bedeutet aber keineswegs, daß man seine Mitmenschen durch vorübergehende
Hilfsverweigerung zur Selbständigkeit zu erziehen versucht. Nach Einstellung
der Amerikaner ist es Sache des Einzelnen, was er aus sich und seinem Leben
macht; man stellt sich nicht mir irgendwelchen erzieherischen Ansprüchen
über ihn.
Wenn ein Amerikaner sieht, daß jemand Hilfe braucht, ist er in
der Regel sofort zur Stelle und wartet meist sogar nicht erst darauf, bis
der andere explizit um Hilfe bittet. ..."
Homepage
des Instituts für Interkulturelle Didaktik, e-mail: kflechs@gwdg.de
1 Zur besseren Vergleichbarkeit mit der
Literatur wird der englische Begriff beibehalten.
2 Vgl. Albert, S. 189: "intercultural sensitizer".
3 Das Beispiel wurde einem Beispiel aus der
Geschäftswelt nachempfunden, das bei Albert, S. 187, abgedruckt ist.
Es wurde zur besseren Anschaulichkeit für den Kurs modifiziert. Die
kurz umrissene Auflösung besteht darin, daß es in Brasilien
üblich sei, sich wenigstens nach dem Ergehen des Freundes und seiner
Familie zu erkundigen.
4 Diesen Begriff verwenden Müller/Thomas
ab S. 7; er dürfte allgemein für die den Antwortreaktionen beigegebenen
Informationen anwendbar sein.
5 Müller/Thomas, S. 8; Auslassung aus
syntaktischen Gründen.
6 Vgl. Kulturstandards, Anm. 4; vgl. Porter/Samovar,
S. 24-29, Albert, S. 187 f.
7 "Learning a foreign culture", in Sandhaas,
S. 86.
8 Albert (S. 215 ff) zählt vierzehn
verschiedene Assimilators auf, von denen sich drei mit inneramerikanischen
Subkulturen beschäftigen (Black Assimilator und zwei Army Assimilators)
und noch keiner mit einer Kommunikation, an der nicht Nordamerikaner als
Lerner oder Mitglieder der Zielkultur beteiligt sind, zu tun hat.
- Müller/Thomas erwähnen (S. 9 f), daß es seit 1986 einen
generellen Cultural Assimilator gibt.
9 Die folgende Übersicht stützt
sich im wesentlichen auf Albert, S. 190-194, Müller/Thomas, S. 11,
Dadder, S. 79 f.
10 "Experten" sind in diesem Zusammenhang
Menschen, die sich gut in beiden Kulturen auskennen und über hinreichende
Lebenserfahrung aus beiden Kulturen und hinreichendes Hintergrundwissen
über die kulturellen Standards beider Kulturen verfügen, um Aussagen
über die Kulturen kompetent treffen zu können.
11 Dadder, S. 79.
12 Vielleicht ist auch an ein Projekt gedacht,
aus dem für beide möglichen Rollenverteilungen Assimilators erstellt
werden sollen, dann muß die Entscheidung über die Rollenverteilung
in dem Assimilator, der als nächster erstellt wird, spätestens
am Ende des vierten Schrittes fallen.
13 "Literatur" meint hier Veröffentlichungen,
die wesentliche Aussagen zu den beiden betroffenen Kulturen enthalten.
14 Der methodisch kritische Teil des Interviewer-Trainings
etc. kann hier nicht ausführlich behandelt werden. Im mündlich
gehaltenen Referat wird auf die Ausführungen Prof. Thomas´(Regensburg)
bei der Ringvorlesung Interkulturelle Didaktik am Institut für Interkulturelle
Didaktik der Georg-August-Universität, Göttingen, am 25. Mai
1992 zu diesem Problem verwiesen.
15 Die Darstellung ist weitgehend auf Albert,
S. 212 f gestützt.
16 Vgl. Müller/Thomas, S. 12.