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Tabubruch ja - aber bitte nicht am Ostermorgen

© Basler Zeitung; 30.03.2005; Seite 4 - BaZ online

"Religion ist wieder mehr gefragt", heisst es bei Radio DRS - heikel wird es, wenn es an die Fundamente geht

Christof Wamister

Radio DRS 2 hat ein Gespräch mit dem abtrünnigen Theologen Gerd Lüdemann vom Ostersonntag auf den Gründonnerstag vorverschoben - aus Rücksicht auf religiöse Hörer.

Es stand im "radiomagazin", der Radio-Programmzeitschrift, an der die SRG bis vor kurzem beteiligt war: Am Ostersonntag um 8.30 Uhr findet ein "österliches Gespräch" mit dem Theologen Gerd Lüdemann statt: "War das Grab tatsächlich leer?" Das tönte einigermassen provokativ, und so war es auch gedacht: Lüdemann, Theologieprofessor und ausgewiesener Neutestamentler, hatte sich 1998 vom Christentum verabschiedet. Allerdings wollte er gleichwohl als Professor in Göttingen weiterarbeiten. Daraus entspann sich ein Rechtsstreit, der heute beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig liegt.

Wer sich die Sendung mit dem kritischen Theologen sommerzeitlich früh zu Gemüte führen wollte, wurde dann aber enttäuscht. Statt Lüdemann bekam man eine Sendung über den Psychiater Victor Frankl zu hören. Religiöse Zensur bei Radio DRS? Nicht ganz, aber zumindest ein Hauch von Selbstzensur. Das halbstündige Gespräch mit Lüdemann war nämlich kurzfristig in das Sendegefäss "Kontext" am Gründonnerstag umgebucht worden. Das erklärte Hansjörg Schulz, Leiter der Redaktion Gesellschaft und Religion, gestern gegenüber der baz. Als der Entscheid fiel, war das "radiomagazin" (Titelschlagzeile: "Gottes Wellen. Hochkonjunktur für Religion am Radio") schon lange gedruckt.

Rücksichten. Schulz begründet die Verschiebung mit "gewissen Rücksichten" auf den treuen Hörerstamm der Religionssendungen am Sonntagmorgen. Der Entscheid sei intern "kontrovers diskutiert" worden. Lüdemann war bereits vor einigen Wochen im Rahmen eines DRS-2-Sendetages, der ganz dem Thema "Tabu" gewidmet war, zum Zuge gekommen.

Das religiöse Programm beginnt am Sonntag nach acht Uhr mit dem "Blickpunkt Religion". Um halb zehn wird jeweils ein Gottesdienst einer der Landeskirchen übertragen. Das Sendegefäss "Perspektiven" verzeichnet laut Schulz eine durchschnittliche Hörerzahl von 112 000, die "Kontext"-Sendungen eine von 120 000.

Zum Stellenwert der religiösen Sendungen an DRS 2 meint der Radiomacher: "Religion ist wieder mehr gefragt." Das habe interessanterweise mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begonnen. Sie hätten zu einer Auseinandersetzung mit einer fundamentalistischen Religionsauffassung geführt und offenbar auch zu Rückfragen an das Christentum. Das zeige sich auch in der Medienberichterstattung über den Islam und die Hierarchie- und Dogmastreitigkeiten innerhalb der Römisch-katholischen Kirche. "Gott lebt" - so titelten unabhängig voneinander das Nachrichtenmagazin "Facts" und das auch der baz beigelegte "Magazin" zu Ostern und sahen eine "Renaissance des Glaubens".

Gott lebt - ist er aber auch auferstanden? Der abtrünnige Theologe Lüdemann geht in seinen Publikationen und Interviews auf die zentralen Glaubensinhalte des Christentums los. Ohne den Glauben an die Auferstehung von Jesus Christus nach seiner Kreuzigung falle das Christentum in sich zusammen wie ein Kartenhaus, sagt Lüdemann im DRS-2-Gespräch, das auf Internet zuhören ist. Die leibliche Auferstehung des Gottessohnes verbannt Lüdemann aber in das Reich der Mythen, wie viele andere kritische Religionsforscher seit dem 18. Jahrhundert.

Im Gespräch wird auch eine Umfrage zitiert, die zum Befund kommt, dass noch etwa fünfzig Prozent der Kirchenmitglieder an die Auferstehung glauben; bei den Theologieprofessoren, die sich ja auch textkritisch mit der Materie befassen, seien es noch etwa zehn Prozent, merkt Lüdemann kritisch an. Gestern war weder beim Evangelischen Kirchenbund noch bei der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt eine Stellungnahme eines theologisch geschulten Kirchenvertreters zu erhalten. Die Medienbeauftragte Alexandra Salvisberg sagte: "Bei der evangelisch-refomierten Kirche gibt es kein Lehramt. Jeder kann sich ein eigenes Bild von der Auferstehung machen. Die evangelisch-reformierten Kirchen stehen für Diskussion." Umfragen zu den konkreten Glaubensinhalten ihrer Mitglieder sind der evangelisch-reformierten Kirche nicht bekannt. Die übervorsichtige Haltung von DRS 2 und die ausweichenden Stellungnahmen einer Kirche zeigen zweierlei: An Glaubensfragen möchte man sich nicht die Finger verbrennen: Warum diejenigen provozieren, die im strengen Sinne des Wortes gläubig sind? Und: Die religiös Liberalen oder Gleichgültigen haben sich aus der Diskussion längst verabschiedet.

Nicht mehr dabei. Mit seinem Auftreten und seinen Schriften hat Gerd Lüdemann einen Stein in den Teich geworfen, der immer neue Wellen wirft. Er musste sich allerdings auch die Frage gefallen lassen, wieso er als Nicht-mehr-Christ nicht aus der Kirche austrete. Seine Antwort: "Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche ist hierzulande immer noch die Voraussetzung dafür, Theologie lehren zu dürfen." Und das will Lüdemann weiterhin tun. Das Problem hat auch mit der Sonderstellung der Theologischen Fakultäten zu. Die Forderung nach ihrer Abschaffung oder Reduktion auf ihren wissenschaftlichen Kern ist allerdings auch schon mehr als hundert Jahre alt.

www.kontext.drs2.ch

Sendung verschoben. Gerd Lüdemann ist nicht mehr Christ, will aber Theologe bleiben. Beleidigen seine Thesen Gläubige?

© Basler Zeitung; 30.03.2005; Seite 4 - BaZ online


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Letzte Aktualisierung am 22. April 2020
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