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Fairness auch für die Wahrheit

Offener Brief an Kardinal Lehmann

Bezug:Fairness auch für den Papst - Zur Kritik an seinem Jesus-Buch - Gastkommentar von Kardinal Lehmann für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Juni 2007

Sehr geehrter Herr Kardinal,

in einem Gastkommentar für die Juni-Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" haben Sie meine Kritik des Jesusbuches von Benedikt XVI. in Spiegel-Online vom 26. April 2007 als nicht seriöse, abseitige Wortmeldung eingestuft. Leider begründen Sie diesen schweren Vorwurf inhaltlich mit keinem Wort und nennen auch nicht die in dem Essay angeführten Argumente gegen den wissenschaftlichen Wert des päpstlichen Opus. Daher fasse ich meine Einwände noch einmal in zwei Punkten zusammen:

Erstens. Der Papst versieht sein Werk mit einem falschen Etikett. Die durch das Vorwort geweckte Erwartung, dass er vernünftige Gründe für die Einheit von historischem Jesus und verkündigtem Christus vorlegt, wird bitter enttäuscht. Schlimmer noch, der Papst beschäftigt sich gar nicht ernsthaft mit Jesus von Nazareth als historischer Gestalt, sondern meditiert über weite Strecken des Buches über den "Herrn".

Zweitens. Es geht nicht an, den Evangelien zu trauen und sie als einander historisch ergänzend zu lesen, ohne vorher plausible Argumente gegen den Konsens der Forschung z.B. hinsichtlich der Zwei-Quellen-Theorie - die einem solchen allgemeinen Zutrauen den Riegel vorschiebt - anzuführen. Diese Theorie besagt, dass Matthäus und Lukas unabhängig voneinander sowohl eine Spruchquelle ("Q") als auch das Markusevangelium benutzt haben und keine Augenzeugen sind.

Sie, verehrter Herr Kardinal, haben Fairness für den Papst verlangt. Gewiss, aber dabei darf die Wahrheit nicht auf der Strecke bleiben. Eben darum verdient das neue Werk von Benedikt XVI. aus wissenschaftlicher Sicht nur das Prädikat "Mangelhaft". Ich habe dies in dem von Ihnen gescholtenen Essay in Spiegel-Online begründet und es in meinem demnächst erscheinenden Buch "Das Jesusbild des Papstes" näher ausgeführt.

Göttingen, den 03. Juni 2007

Gerd Lüdemann.


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Letzte Aktualisierung am 22. April 2020
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