Physikalische Prozesse in der Ökologie: Transport durch die atmosphärische Grenzschicht
IBK Logo

- Transport durch die atmosphärische Grenzschicht -

Seminar und Übung
- Physikalische Prozesse in der Ökologie -


Spurenstoffe, Wasser und Energie müssen beim Transport zwischen Atmosphäre und Wald verschiedene Grenzschichten passieren. Dabei müssen bestimmte Transportwiderstände (r) überwunden werden. 

Widerstandsmodell

Abb 1.: Konzeptmodell des Transports and der Grenzfläche Wald - Atmosphäre.

Analog zu einer elektrischen Reihenschaltung kann der atmosphärische Transport durch die verschiedenen Grenzschichten mit dem aerodynamischen Grenzschichtwiderstand, ra, dem laminaren Grenzschichtwiderstand, rb, und dem Oberflächenwiderstand, rc, simuliert werden. Der Spannungsdifferenz im elektrischen Analog entspricht die Konzentrationsdifferenz (c , z. B. als Teilchen pro Volumen ( mol m-3) oder als Dichte (kg m-3)   ausgedrückt). Um die Charakterisierung der Grenzschichten und die Quantifizierung der Transportwiderstände in der Atmosphäre soll es in diesem Kurs gehen.


Die atmosphärische Grenzschicht (planetary boundary layer, PBL) ist  der untere Teil der Troposphäre, in dem ein Einfluss der Reibung auf die Strömung nachzuweisen ist (Abb. 2).


Abb. 2: Schichtung der Atmosphäre (aus Stull 1988).

In dieser Schicht spielt sich in der Hauptsache das Wettergeschehen ab. Energieaustausch mit dem Boden führt zu einem tageszeitlich sehr dynamischen Verhalten der Grenzschicht (Abb. 3). Treibende Kräfte für diese Prozesse sind die Reibung (friction) und der Auftrieb (bouoyancy). Auftrieb, d.h. die nach oben gerichtete Kraft, die Luftpakete mit geringerer Luftdichte als ihre direkte Umgebung erfahren,  entsteht im Wesentlichen durch die Aufnahme von von fühlbarer Wärme von dem Untergrund (konvektive Grenzschicht, tagsüber). Umgekehrt wird Auftrieb vernichtet, wenn die Grenzschicht Wärme an den Untergrund abgibt (stabile nächtliche Grenzschicht, nachts).


Abb. 3: Tageszeitlicher Verlauf der Grenzschichtausbildung (aus Stull 1988, siehe auch hier).

An den Vertikalprofilen z.B. der potenziellen (virtuellen) Temperatur lassen sich charakteristische Schichten ausmachen, die Oberflächenschicht oder auch Prandtlschicht (surface layer) und die Mischungsschicht (mixing layer).
Nicht nur die Temperaturprofile kennzeichnen die Grenzschichten, auch viele andere luftgetragene Größen zeugen von den Prozessen in den einzelnen Schichten (Abb. 4).


Abb. 4: Höhenprofile der mittäglichen Reibungsschicht aus Stull (1988), potenzielle Temperatur, θ , Windgeschwindigkeit, u, spezifische Feuchte, q und ein beliebiger emittierter Spurenstoff, c. 


Die Schicht höhenkonstanter Flüsse, der aerodynamische Transportwiderstand

Wir interessieren uns im Folgenden für die Prandtlschicht und darunterliegenden Schichten. Das Strömungsregime ist hier turbulent (Abb. 7).

In der Prandtlschicht sind die Flüsse zwischen Untergrund und Atmosphäre höhenkonstant (+- 10%) deshalb wird diese Schicht auch constant flux layer (CFL) genannt. In ihrem oberen Teil, der Trägheitsschicht,  nehmen alle quantitativen Eigenschaften logarithmisch je nach Transportrichtung mit der Höhe zu (Flüsse sind dann nach unten gerichtet, z.B. CO2 am Tage , u) oder ab (Flüsse nach oben gerichtet, z.B. der fühlbare Wärmestrom, H, oder die Verdunstung, λE am Tage). Dies ist die Folge der Scherung in der turbulenten Strömung, langsame untere Schichten bremsen darüber liegende schnellere Schichten. 


Abb. 5 Unterteilung der Schicht höhenkonstanter Flüsse, der Prandtlschicht (Monteith und Unsworth 1990).

 

Das logarithmische Windprofil ermöglicht uns einen Ansatz zur Quantifizierung des Transportwiderstandes, den die turbulente atmosphärische Grenzschicht (=Prantdlschicht) einem Transport bis zu einer Referenzhöhe entgegenbringt.


Abb. 6: Das logarithmische Windprofil (aus Monteith und Unswoth 1990), Gleichung 1.

 
 


Abb. 7: Zwei verschiedene Strömungsregime mit kleinen schwarzen Pfeilen als  Trajektorien und

große blaue Pfeile als Stromlinien.

Das Windprofil ist proportional zum Profil des horizontalen Impuls (ρ·u, = Luftdichte mal Geschwindigkeit, momentum). An der Abnahme dieser Bewegungsgröße zum Boden hin erkennen wir, dass sie nach unten transportiert wird. Dies führt zur Impulsübertragung, die die Reibungskraft am Boden zur Folge hat. Der Boden wird von der Strömung in Strömungsrichtung geschoben, es wird die sogenannte Schubspannungskraft (Kraft pro Fläche in Strömungsrichtung) ausgeübt. Da der Boden(bewuchs) ortsfest ist, kommt es zu Verformungen bis hin zu Würfen und Brüchen. Die Bewegungsenergie wird letztlich in Wärme umgewandelt, die für unsere Überlegungen aber vernachlässigbar ist.

Der Impulsfluss, τ, ist für einen einem Ort definiert als

. (Gl. 2)
Der linke Term entspricht einem Gradientansatz mit dem Austauschkoeffizienten für Impuls KM, der rechte Term benutzt eine zweite Bedeutung der Schubspannungsgeschwindigkeit:
(Gl. 3)
Das Quadrat der Schubspannungsgeschwindigkeit, u*, ist gleich der  Kovarianz von Horizontalwindgeschwindigkeit, u, und Vertikalwindgewschwindigkeit, w (rechter Term in Gl. 3). Die statistische Größe Kovarianz ist das mittlere Produkt zweier gepaarter Größen. Wenn die eine Größe die Vertikalwindgeschwindigkeit ist und die andere eine luftgetragene Größe, wie hier u, aber auch die Dichte von Spurengasen, so ist die Kovarianz in der Grenzschicht über ausgedehnten homogenen Oberflächen gleich dem Fluss, hier Impulsfluss. Die Kovarianz und damit der Fluss kann mit der  Eddykovarianzmethode gemessen werden.  
Aus Gleichung 1 folgt,
   (Gl. 4 und Gl. 5)
womit wir ein einfachen Zugang aus einer Windmessung und den bekannten aerodynamischen Eigenschaften der Oberfläche (Z0 und d) zum aerodynamischen Transportwiderstand, ra, haben (Gl. 5).

ra

Abb. 8: Abhängigkeit des aerodynamischem Transportwiderstands (rechte Hochachse), bzw. der aerodynamischen Leitfähigkeit ra-1 (linke Hochachse) von der Windgeschwindigkeit über verschieden rauen Vegetationsoberflächen, Windgeschwindigkeit (aus Monteith und Unsworth 1990).
 
 


Die laminare Grenzschicht, der laminare Grenzschichtwiderstand

Unter der turbulenten Grenzschicht schließt sich die laminare Grenzschicht (laminar boundary layer) an. In dieser Schicht ist die Strömung stärker geordnet (vgl. Abb. 7, oben). Sie ist eine vergleichsweise dünne Schicht, die alle festen Strukturen in Ökosystemen umkleidet. Aufgrund der fehlenden vertikalen Strömungskomponente wirkt sie dem Vertikaltransport sehr effektiv entgegen.
An dieser Stelle sind wir zum erstenmal mit dem sogenannten Maßstabsproblem (scaling problem) konfrontiert. Prozesse spielen sich auf kleinen Raumskalen, z.B. den Blättern, ab und summieren sich dann in ihrer Gänze zu einer Eigenschaft des gesamten Ökosystems. Es gibt sowohl Ansätze, den entsprechenden laminaren Transportwiderstand, rb, auf Blattebene als auch auf Ökosystemebene zu bestimmen. Ein auf empirischen Untersuchungen gestützter Parametrisierungsansatz auf Ökosystemebene ist

   (Gl. 6)

mit kH der Wärmediffusivität für Luft (z.B. 22,2 10-6 m2/s bei 20°C) und D dem molekularen Diffusionskoeffizienten (z.B. für Wasserdampf 24,9 10-6 m2/s  bei 20°C). In D werden die individuellen Diffusionseingenschaften der gasförmigen Moleküle berücksichtigt.


Mit den hier für adiabatische Grenzschichten (neutraler Fall) vorgestellten Widerstandsansätzen lassen sich die atmosphärischen Transportbedingungen für Oberflächen mit bekannten aerodynamischen Eigenschaften parametrisieren.
Eine Übungsaufgabe zu dieser Einheit finden Sie hier.


zurück zur Gliederung


Autor: Andreas Ibrom
aibrom@gwdg.de
Letzte Änderung am 04.12.2009