Reaktionen auf Corona
bei ZeugInnen Jehovas


Ines Bartels, Melina Blossey,
Hellen Staar


 
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Vorbemerkung


Im Folgenden finden Sie die Ergebnisse, welche im Zuge des Lehrforschungsprojektes „Religion(en) im Corona-Kontext“ für die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gesammelt wurden. Die Forschung wurde in der Zusammenarbeit dreier Studierenden durchgeführt, wodurch unterschiedliche Forschungsansätze zum Einsatz kamen. Mithilfe sowohl qualitativer als auch quantitativer Erhebungsformate wurde der Frage, inwiefern sich die Corona-Krise auf die religiöse Praxis bzw. das religiöse Leben der Zeugen ausübt, nachgegangen. Die Grundlage der Arbeit bilden acht im Vorfeld erarbeitete Fragen, welche sich wie ein roter Faden durch die gesamte Erhebung ziehen. Insgesamt besteht die Forschung aus drei Teilen - Interviews, Fragebögen und der Teilnahme an Veranstaltungen. – An dieser Stelle ist es uns als Autorinnen wichtig zu betonen, dass wir nicht dem Anspruch entgegenkommen, einen allumfassenden Überblick zu gewähren, sondern lediglich einzelne Perspektiven ausgewählter Gemeinden zusammentragen.


Der Glaube an eine nahe bevorstehenden Endzeit („Harmagedon“) und die daran anknüpfende Hoffnung auf die Auferweckung der Toten (vgl. nachstehende Bilder) stellen bekanntermaßen charakteristische Merkmale dieser Gemeinschaft dar, die auch für die religiöse Deutung der Pandemie eine Rolle spielen, zumal Seuchen und Epidemien bei den ZeugInnen als unübersehbare biblische „Zeichen“ der unmittelbar anbrechenden Endzeit gelten (vgl. Lk 21,11).


The next epidemic- when? and ressurection of the dead

Bild 1: Titelbild der ZJ-Zeitschrift "Erwachet!" vom Dezember 2005   ––   Bild 2: Familienzusammenführung bei der Auferstehung der Toten




1. Die ZeugInnen Jehovas:


Die ZeugInnen Jehovas oder auch Jehovas ZeugInnen, wie sie sich in Deutschland offiziell selbst bezeichnen, wurden zwischen 1870 und 1879 von Charles Taze Russell in den USA gegründet. Sie selbst bezeichnen Russel nicht als Gründer, sondern als ersten Herausgeber des Wachtturms und als eine Person, welche die biblische Bildungsarbeit vorantrieb. Als wahren Begründer sehen sie Jesus an. 


Weltweit verzeichnen sie laut eigenen Angaben über 8,6 Millionen Mitglieder in 240 verschiedenen Ländern. Die oberste Leitung obliegt einer Leitenden Körperschaft, die ihren Sitz in New York hat. Das deutsche Verwaltungsbüro der ZeugInnen Jehovas befindet sich in Selters/Taunus. 


Sie verstehen sich als die „weltweite christliche Gemeinschaft von Menschen, die Zeugnis geben über Jehova Gott und seine Vorsätze, die er in Verbindung mit der Menschheit hat“ (Unterredungen, 228). Die Bibel ist dabei Grundsatz ihrer Glaubenslehren. In ihrer Glaubenslehre hat nur Jehova das Gottsein inne und darf alleinig angebetet werden. Jesus Christus wird als von Jehova gezeugter Sohn angesehen, der nicht auf die gleiche Stufe gestellt werden darf. Die Dreieinigkeitslehre wird von den ZeugInnen Jehovas strikt abgelehnt. 



2. Offizielle Thematisierung der Corona-Krise


Ein Zitat aus den "aktuellen Hinweisen" zur Corona-Situation: „Die Weltzentrale von Jehovas Zeugen beobachtet genau die aktuellen Entwicklungen zur Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (COVID-19). Aus der Bibel wissen wir, dass Seuchen ein auffallendes Merkmal der letzten Tage sind (Lukas 21:11) [unsere Hervorhebung]. Breitet sich eine Krankheit aus, ist es vernünftig, Schutzmaßnahmen für sich und andere zu ergreifen (Sprüche 22:3).

    Vielleicht fragst du dich, wie es den Brüdern und Schwestern in den betroffenen Regionen geht. In Italien, Japan, Südkorea und anderen Ländern hatte die Verbreitung von COVID-19 spürbare Auswirkungen auf die Zweigbüros und Versammlungen. In einigen Fällen mussten Zweigbüros Führungen und Besuche von Gästen absagen. In anderen Fällen wurden von den Behörden große öffentliche Veranstaltungen verboten, weshalb Kreiskongresse abgesagt werden mussten. In einigen Regionen musste außerdem der Besuch der Zusammenkünfte und der Predigtdienst anders organisiert werden. Trotz dieser Herausforderungen stärken sich unsere Brüder weiter im Glauben und ermuntern sich gegenseitig (Judas 20, 21).“

(Quelle: https://www.jw.org/de/nachrichten/jw/region/welt/jw-aktuelle-hinweise-coronavirus/)


   Das bedeutet:

    Es sollten Schutzmaßnahmen ergriffen werden

    Verbot von großen, öffentlichen Veranstaltungen

    Absage von Kreiskongressen

    Predigerdienst und Zusammenkünfte müssen anders gestaltet werden

    Gegenseitige Ermunterung und Stärke in der Gemeinschaft


Diese ganz konkreten ethischen Verpflichtungen zum Schutz werden in religiöser Hinsicht von der geschichtstheologischen Deutung begleitet, dass sich die Menschheit nunmehr endgültig am apokalyptischen Übergang zur Endzeit befindet ...


Leett JW last days of the last days

Bild 3: Stephen Lett von der "Leitenden Körperschaft" betont in einem vielzitierten Videoauftritt den nunmehr endgültigen Anbruch der Endzeit



Fünf weitere wichtige Handlungshinweise finden sich auf der Website jw.org:


Ruhe bewahren Sicherheitsmaßnahmen sind zwar wichtig, doch eine Überreaktion aufgrund von Angst hilft nicht weiter.

Anweisungen der Behörden befolgen Es sollte immer den Vorschriften der öffentlichen Behörden gefolgt werden. Dazu sollte man sich ausreichend informieren, um stets auf dem neusten Stand zu bleiben.

Auf gute Hygiene achten Ob im Eigenheim oder im Königssaal: Die Einhaltung der Hygienevorschriften sollte immer höchste Priorität haben. Nur, wenn die Hände stets gewaschen und desinfiziert werden, kann die Verbreitung des Virus eingedämmt werden. Auch die Oberflächen sollten kontinuierlich gesäubert werden.

Auf andere Rücksicht nehmen Um Brüder, Schwestern und Außenstehende zu schützen, sollten diejenigen, die krank sind, unbedingt zuhause bleiben. 

Sich auf vorübergehende Veränderungen im Versammlungsgeschehen einstellen  Es kann jederzeit zu Veränderungen in der Gemeinde kommen. Je nach Betroffenheit der Gebiete kann es sein, dass Veranstaltungen ausschließlich im Internet zur Verfügung stehen werden. Um beispielsweise den Predigerdienst trotzdem ausführen zu können, könnte überlegt werden, per E-Mail, Post, oder telefonisch zu predigen.

(Quelle: https://www.jw.org/de/nachrichten/jw/region/welt/jw-aktuelle-hinweise-coronavirus/)



Jhovas Witnesses  corona info

Bild 4: Schutzmaßnahmen befolgen, social distancing beachten und dennoch Kontakte halten und den Predigtdienst versehen



3. Empirische Felderkundung


Dieser empirische Forschungsteil gliedert sich in insgesamt zwei Abschnitte :


Dabei ist es wichtig, hinzuzufügen, dass die Interviews und Fragebögen getrennt voneinander durchgeführte Erhebungsformen sind, doch insgesamt dieselben Fragen gestellt und beantwortet wurden, sodass es an dieser Stelle sinnvoll erschien, sie zusammenzufügen, um Wiederholungen zu vermeiden. – Insgesamt wurden drei Interviews geführt, in denen 4 Personen befragt wurden. Zusätzlich sind 16 Fragebögen beantwortet worden. 



3.1 Interviews und Fragebögen


Insgesamt wurden acht Forschungsfragen gestellt:




Ergebnisse:




3.3 Teilnahme an Versammlungen


Die folgenden online-teilnehmenden Beobachtungen stammen aus der Teilnahme an zwei Mittwoch-Versammlungen der Gemeinde Ronnenberg via Zoom (Anm.: „Versammlung(en)“ ist die Bezeichnung für die örtlichen Zusammenkünfte der ZeugInnen Jehovas in Deutschland).



Ergebnisse:




4. Fazit


Die Glaubensgemeinschaft der ZeugInnen Jehovas scheint mit den Beschlüssen des Bundes und der Länder konform zu gehen. Sie akzeptieren die Regeln und Beschlüsse und haben ihren Glaubensdienst und ihre Versammlungen dahingehend angepasst. Dies würde mit den Bemühungen der ZJ korrespondieren, sich hinsichtlich der Akzeptanz als staatstreue "Körperschaft des öffentlichen Rechts" zu bewähren bzw. diesen Status nicht zu gefährden. Sie verstehen die momentane Corona-Pandemie offenkundig als Bewahrheitung der in der Bibel beschriebenen Seuchen und somit als Anzeichen für die unmittelbar bevorstehende Regierung Jehovas. Insgesamt wird die Krise bei den ZeugInnen Jehovas als ein Erlebnis beschrieben, welches den Zusammenhalt stärkt und die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder gefördert hat. Dies spiegelt sich auch in der schnellen und erfolgreichen Umstellung auf digitale Tools wider (darin erweisen sich die ZeugInnen altersübergreifend sehr kompetent und geübt), sowie in der Umsetzung alternativer Methoden der religiösen Praxis und Verkündigung. 



5. Linkliste und Quellen   (Links wurden zuletzt am 20.4.2021 geprüft)


      Nachweis der Abbildungen:


    Quellen:

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Parimal – Gut Hübenthal