Zum Umgang der Hillsong Church
mit der Corona-Pandemie

Julia Hartmann


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Logo der Hillsong-Church


Vorbemerkung

Die im Folgenden vorgestellten Forschungsergebnisse beziehen sich hauptsächlich auf die Hillsong Church Germany und dabei v.a. auf die Gemeinde in Konstanz. Die Ergebnisse basieren auf Internetrecherchen von offiziellen Veröffentlichungen der Hillsong Church und Interviews mit Gläubigen. Die Ausarbeitung präsentiert einen schlaglichtartigen Eindruck (Stand: Juli 2021), denn aufgrund einer geringen Anzahl an Interviews können die Ergebnisse nicht verallgemeinert werden.


Zur Charakteristik der Hillsong Church

Die Hillsong Church ist eine christliche charismatisch-pfingstlerische Gemeinschaft. – Sie wurde 1983 von Bobbie und Brian Houston, einem Pastorenehepaar, in der australischen Stadt Sydney gegründet. Mittlerweile ist die religiöse Gruppierung weltweit verbreitet.

Pfingstkirchen entstanden infolge der Pfingstbewegungen (Azusa Street Erweckung 1906–1913 in Los Angeles). In Pfingstkirchen stehen vor allem die Glossolalie (in Zungen reden), persönliche Zeugnisse des Glaubens, Gebete und Mission im Mittelpunkt. Wichtigster Bestandteil der Gottesdienste beziehungsweise der praktischen Ausübung des pfingstlerischen Glaubens ist der Lobpreis/Worship. In diesem kann die eigene Verbundenheit mit der spirituellen Gemeinschaft ausgedrückt werden. Ziel ist es, darin den Heiligen Geist zu spüren, von diesem erfüllt oder gar besetzt zu werden und Glossolalie zu erfahren.


Hillsong lethoperise

Worship-Szene aus einem Hillsong Gottesdienst, "Let Hope Rise" (Quelle)


Bei der Hillsong Church handelt es sich um eine sogenannte Megachurch. Als Megachurch werden religiöse Gruppierungen bezeichnet, die eine sehr große Zuhörer_innenzahl pro Gottesdienst haben (mindestens 1.000 Besuchende). Häufig finden die Gottesdienste in großen Hallen statt. Sie haben einen modernen konzertartigen Stil und werden von einer Band begleitet. Es gibt eine Lightshow und große LED-Tafeln, welche den Gottesdienst unterstützen. Der Sprachgebrauch in der Hillsong Church ist durch die englische Sprache geprägt. Besonders bekannt ist die Hillsong Church durch ihre Musik – Lobpreis-Lieder im Stil des Pop/Rock – und durch die Mitgliedschaft des Popstars Justin Bieber. Die Hillsong Church erfährt derzeit ein stetiges Wachstum. Im Jahr 2014 gab es etwa 3.500 Teilgemeinden. In Australien sollen etwa 150.000 Personen pro Woche an den Gottesdiensten teilnehmen.


Hillsong church conference NBC

Gottesdienst in einer Hillsong Church, NBC News 2019 (Quelle)


Umgang mit Corona


Die eigenständigen Unterorganisationen in den verschiedenen Ländern, in denen es Hillsong-Gemeinden gibt, sind eng mit ihrer Ursprungs-Organisation in Australien verbunden. Dies resultiert vor allem daraus, dass dort ein eigenes College zur Ausbildung von Pastor_innen betrieben wird. In Australien wurden im Dezember 2020 Lockerungen der Corona-Maßnahmen erlassen. Gottesdienste durften wieder in Präsenz stattfinden. Die Hillsong Church Australia rief dazu auf, sich weiterhin an die Hygiene-Maßnahmen der Regierung zu halten, informiert zu bleiben und Social Distancing und andere im Zusammenhang mit Corona etablierte Verhaltensweisen einzuhalten und zu befolgen. Die eigentliche Sicherheit, so die Hillsong Church Australia, bestehe – trotz der Schutzmaßnahmen der Regierung – im Glauben an Jesus. Für den Schutz vor Corona werde gebetet, denn es sei ein Versprechen, dass Jesus die Menschen beschütze:

    

„Ultimately, even as we pursue preventative measures and exercise wisdom in keeping ourselves and loved ones safe, our faith and security is in Jesus Christ. We pray His promise of protection over you and your family. Let’s also pray for those affected around the world, and that the virus will be quickly contained and conquered.“ (aus: "Health and safety Notice regarding Coronavirus Covid-19" vom 14.12.2020; Quelle: https://hillsong.com/australia/de/safechurch/health-update/, 23.01.2021.)

Des Weiteren wird Psalm 91,9f zitiert. Mit dieser Bibelstelle wird ausgedrückt, dass durch Gott den Gläubigen kein Übel geschehe.

   In einem Interview des Nachrichtensenders 9 News Australia im Oktober 2020 mit einem der leitenden Pastoren der Hillsong Church Australia, Brian Houston, wird deutlich, dass dieser die Corona-Maßnahmen der Regierung Australiens zu diesem Zeitpunkt als Diskriminierung gegenüber Kirchen wahrnahm. Er kritisierte, dass die Menschen in Sportstadien zusammenkommen dürften, wie vor Corona-Zeiten, und Hochzeitsfeiern mit bis zu 300 Personen stattfinden dürften. Gleichzeitig dürften in einem geschlossenen, sehr großen Raum aber nicht 100 Personen an Gottesdiensten mit einem Hygienekonzept und unter Social Distancing in Präsenz teilnehmen.

   Offiziell veröffentlichte die Hillsong Church Australia keine Deutung zu Corona. Es wird dazu aufgerufen, sich an die Maßnahmen der Regierung zu halten und gegen die Pandemie zu beten, die Hoffnung wird in Jesus gelegt. Auf den ersten Blick ist keine Gegenwehr zu den Restriktionen erkennbar. Da Brian Houston durch seine Position in der religiösen Gemeinschaft untrennbar mit der Hillsong Church verbunden ist, kann dieser nicht als Privatperson auftreten. Durch das Interview wird deutlich, dass es in der Hillsong Church Australia Unmut gegen die Corona-Maßnahmen gibt. Da es keine offiziellen Veröffentlichungen dazu gibt, kann nicht ausgemacht werden, inwieweit dieser Unmut verbreitet ist.


Ab Ende März 2020 fanden in Deutschland aufgrund der beschlossenen Corona-Maßnahmen zunächst keine Gottesdienste mehr statt. Die Hillsong Church Germany veranstaltet seit diesem Zeitpunkt Online-Gottesdienste, die auf YouTube veröffentlicht werden. Auch Kleingruppenaktivitäten finden online statt. In einem YouTube-Video gibt einer der leitenden Pastoren der Hillsong Church Germany, Freimut Haverkamp, im April 2020 ein Update an die Church. Er stellt dar, dass nach Möglichkeiten gesucht werde, Gottesdienste in Präsenz stattfinden zu lassen. Gleichzeitig deutet er an, dass die Hillsong Church Germany sich nicht von den Maßnahmenbeschlüssen berücksichtigt fühlt, da sie in ihren Gemeinden anders Gottesdienst feiern würde als die staatlich unterstützten christlichen Konfessionen.


Hillsong church conference NBC

Screenshot von Freimut Haverkamp im YouTube-Video „Update an die Church“.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=XdyOjeKyBbo


Eine offizielle Stellungnahme zu Corona gibt es von der Hillsong Church Germany nicht. Ähnlich wie die Hillsong Church Australia wird dazu aufgerufen, sich an die Corona-Regeln zu halten, zu beten und das Vertrauen in Gott und Jesus zu setzen. In den Predigten der Online-Gottesdienste geht es häufig um das Thema der Heilung von Krankheiten. Diese und die Errettung der Menschen erfolge durch Mission, denn dadurch, dass an Gott geglaubt werde, würde der Frieden Gottes in die Welt kommen und das Chaos beseitigen.

   Auf inoffizieller Ebene äußerte sich Freimut Haverkamp zweideutig zu den Corona-Regeln in Deutschland. In einem Instagram-Beitrag von Februar 2021: Auf seinem privaten Profil kann nicht genau identifiziert werden, ob er Protest und Widerstand unterstützt oder die Maßnahmen der Bundesregierung gutheißt. In jedem Fall ruft Haverkamp zu Frieden und Gottvertrauen auf.

   Bei Freimut Haverkamp besteht ein ähnliches Paradoxon, wie bei Brian Houston. Offiziell gibt es keine Stellungnahme oder Deutung zu Corona, weder der Hillsong Church Australia noch der Hillsong Church Germany. Beide religiösen Gemeinschaften rufen dazu auf, sich an die geltenden Corona-Regeln zu halten und zeigen sich dankbar, dass Gottesdienste stattfinden können. Privat allerdings äußern sich die beiden Personen – die in ihrer Position in der Hillsong Church untrennbar mit dieser verwoben sind und diese repräsentieren – kritisch gegenüber ihren jeweiligen Regierungen.



Binnenperspektive der Gläubigen


Mit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Sommer 2020 konnten sogenannte Micro-Churches eingeführt werden — eine Art Hybrid-Format: In Kleingruppen werden die Online-Gottesdienste unter Einhaltung der Corona-Regeln gemeinsam angeschaut. Ein_e Interviewteilnehmende_r beschreibt, dass in der Hillsong Church die Gemeinschaft sehr wichtig sei. Um diese zu spüren, seien die Micro-Churches sehr wichtig: „[I]ch finde es total gut, […] dass wir die Möglichkeit haben, uns treffen zu können […], dass wir […] Gemeinschaft erleben dürfen obwohl es gerade sehr […] schwierig ist.“

   Gleichzeitig biete die Corona-Zeit eine Möglichkeit zu reflektieren, was Gemeinschaft bedeutet und was von der Gemeinschaft gelernt werden könne. Nach Corona werde die Gemeinschaft genauso wichtig sein wie in der Zeit davor.

   Ob es mit der Umsetzung der Corona-Maßnahmen Unzufriedenheiten in der Gemeinde gab, ist nicht sicher. Die Gemeinde sei sehr groß, daher fänden sich zu jeder Meinung Anhänger_innen. Auseinandersetzungen zwischen den Gemeindemitglieder_innen seien nicht bekannt. Von der Politik finden sich die Interviewpartner_innen berücksichtigt:

    

„[W]ir fühlen uns auf jeden Fall […] geehrt, dass wir überhaupt noch Gottesdienste feiern dürfen […]. Wir wollen jetzt nicht […] die Regeln bis an ihre Grenzen ausnutzen und schauen, dass alles geht und über die Stränge schlagen“.

Auch persönlich halten sich die Interviewteilnehmenden an die Corona-Regeln, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. — Predigten zu Corona konkret gäbe es nicht. Die Gottesdienste zielten auf die Bibel ab. Ein_e Interviewteilnehmende äußert:

    

„[U]ns geht es einzig und allein um Jesus und da kann jeder die Meinung haben, die er haben will, zu der politischen Lage, das muss jeder für sich selbst entscheiden.“

Den Einfluss der Corona-Pandemie auf den eigenen Glauben beschreiben die Interviewteilnehmenden als stärkend. Auch andersherum fühlen sie sich durch ihren Glauben in der Pandemie gestärkt. Die Kontinuität, die der Glauben biete, sei „eins der wenigen Sachen gewesen […] worauf man sich […] immer verlassen konnte, worauf man sich immer berufen konnte […] unser Gott ist halt immer der gleiche.“

   Auch wenn es keine offizielle Deutung der Hillsong Church Germany bezüglich Corona gibt, sind sich die Interviewteilnehmenden einig, „dass nichts Schlechtes von Gott kommt“, sondern nur Gutes. Diese Aussage kann auf eine gewisse Weise als Deutung oder Interpretation verstanden werden, da Gott definitiv als Ursprung ausgeschlossen wird. Teilweise gehen Deutungen von Gläubigen darüber hinaus:

    

„[W]enn du die Bibel liest dann […] weißt du […], dass […] Krankheit […] von dem Teufel kommt und das würde [sich] ja […] auch ein bisschen bewahrheiten, weil so wie [sich] Corona […] am meisten überträgt, ist über große Menschengruppen, die eng zusammen sind und die singen und das würde ja echt gut auf […] Kirchen zutreffen, […] auf jeden Fall [ist Corona] jetzt nicht von Gott gewollt oder […] von Gott gemacht“.

Als Gegenspieler Gottes wolle der Teufel die Kirchen vernichten: Durch Corona gäbe es keine Kirchen.



Fazit


Die Hillsong Church ruft dazu auf, sich an die Corona-Maßnahmen der Regierung zu halten und gegen die Pandemie und den allgemeinen Schutz vor Corona zu beten. Die Hoffnung zur Rettung der Menschen wird auf Gott und Jesus gelegt. Inoffiziell kritisieren führende Persönlichkeiten jedoch mitunter die Beschlüsse und Maßnahmen der Regierungen.

    Eine offizielle Deutung in Bezug auf Corona wurde bislang nicht veröffentlicht. Gläubige deuten Corona als nicht von Gott kommend, da Gott nur Gutes schaffe. Hingegen wird teilweise der Teufel als Ursprung von Corona ausgemacht, da dieser gegen Gott und die Kirchen sei. Mit Corona könnten keine kirchlichen Aktivitäten stattfinden. Die positiv-euphorischen Grundzüge von Pfingstkirchen sind hierin wiederzufinden. Gott ist nicht Übeltäter und Ursprung von Corona – die Pandemie wird eher dem Teufel angelastet.



Literatur


Internet-Quellen

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