zuletzt aktualisiert: 26. Oktober 2005 18:50

Workshop zum Einsatz nicht-invasiver Untersuchungsmethoden bei Evertebraten

Insitut für Zoologie, Anthropologie und Zoologisches Musem
Berliner Str. 28, 37073 Göttingen

Am 15. Oktober 2005 trafen sich im Johann-Friedrich-Blumenbach-Insitut für Zoologie und Anthropologie der Universität Göttingen ca. 30 Experten und Interessierte zu einem von Thomas Hörnschemeyer und Gert Tröster organisierten Workshop über Untersuchungsmethoden wie Röntgentomographie, Magnet­resonanz­tomographie und konfokale Laserscanning-Mikroskopie. Kopf dorsal

Der Einsatz der Röntgentomographie zu diagnostischen Zwecken in der Medizin ist hinlänglich bekannt. Für die Untersuchung kleiner Evertebraten sind medizinische Röntgentomographiegeräte aufgrund der relativ groben Auflösung von ca. 500µm pro Voxel (= kleinste darstellbare Volumeneinheit) nicht geeignet. Hier sind besonders hoch auflösende Anlagen (µCT) erforderlich, die in zwei Bauformen existieren: Einerseits als Laboranlagen deren Röntgenstrahlung in Röntgenröhren erzeugt wird, andererseits als ringförmige Teilchenbeschleuniger mit Durchmessern von z.B. einem Kilometer (ESRF, s.u.), in denen Röntgenstrahlung in Form der so genannten Synchrotonstrahlung erzeugt wird.

Röntgentomographie

Über die Anwendung der Synchrotonstrahlung für die Untersuchung von Insekten und anderen Arthropoden berichteten Oliver Betz (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) und Martin Fanenbruck (Ruhr-Universität Bochum) in ihren Vorträgen. Daniela Weide (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) stellte die mikro-röntgentomographischen Techniken den klassischen histologischen Schneidetechniken gegenüber und zeigte Vor- und Nachteile beider Methoden auf.

Die Vortragenden berichteten von Ihren Erfahrungen am ESRF (European Synchroton Radiation Facility) in Grenoble (Frankreich), am APS (Advanced Photon Source des Argonne National Laboratory) bei Chicago (USA) und am ANKA (Synchroton des Forschungszentrums Karlsruhe).

Die hochintensive Synchrotonstrahlung ermöglicht bei der Untersuchung biologischer Objekte besonders kurze Belichtungszeiten (ca. 1 bis 10 Sekunden pro Aufnahme bzw. ca. 10 Min. für eine vollständige Tomographie), wodurch die Untersuchung vieler Proben in relativ kurzer Zeit ermöglicht wird. Im einfachen Röntgenprojektionsverfahren ist außerdem die Aufzeichnung bewegter Bilder möglich. So können Bewegungen innerer Organe, z. B. Tracheenkontraktionen, dokumentiert werden.

Derzeit sind mit Hilfe der Synchrotonstrahlung Röntgentomographien mit Auflösungen bis 1µm, unter günstigsten Bedingungen auch 0,7µm pro Voxel möglich. Die real zu erzielende Auflösung ist dabei (u.a.) von der Größe des Untersuchungsobjektes abhängig: Je kleiner das Objekt ist, um so besser ist die zu erzielende Auflösung.

Kopf transparent Thomas Hörnschemeyer (Georg-August-Universität Göttingen) und Burkhard Rammner (scimotion, Hamburg) berichteten über röntgentomographische Untersuchungen an Insekten mit Hilfe von kleineren „Desktop“-Anlagen und die verschiedenen Möglichkeiten, die gewonnenen Daten zu visualisieren.

Die Daten, die diese auf Röntgenröhren basierenden Geräte erzeugen, sind grundsätzlich denen der Synchrotonanlagen vergleichbar. Da die erzeugte Röntgenstrahlung aber weniger intensiv ist, sind längere Belichtungszeiten erforderlich (bis zu sieben Stunden pro Tomographie) und die erreichbare Auflösung ist mit ca. 2,5 bis 2µm nicht ganz so gut.

Unabhängig von der Quelle, aus der die Tomographiedaten stammen, haben die auf diese Art erzeugten virtuellen Schnitte aber einige Vorteile gegenüber realen Schnittserien. Das untersuchte Objekt bleibt intakt, so dass auch sehr wertvolle Exemplare (z. B. Typen) oder besonders seltene Arten untersucht werden können. Zusätzlich steht das Objekt für weitere Untersuchungen zur Verfügung. Außerdem können mit Softwarehilfe aus einem einzigen Datensatz Schnitte in beliebigen Ebenen erzeugt werden, und auch das Erstellen von virtuellen dreidimensionalen Rekonstruktionen ist verhältnismäßig schnell und einfach möglich. Ein bedeutender Nachteil der Tomographiedaten gegenüber histologischen Schnitten besteht darin, dass aus den Daten allein keine eindeutige Gewebeidentifizierung möglich ist.

Magnetresonanztomographie

Bei den von Thomas Michaelis (MPI für Biophysikalische Chemie Göttingen) und Christoph Held (Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven) vorgestellten Anwendungen der Magnetresonanztomographie (NMRI) sind sowohl die Gewebeunterscheidung als auch die Untersuchung lebender Tiere möglich. Die Besonderheiten bei dieser Tomographiemethode (Messung des Kernspins der Wasserstoffatome des in der Probe enthaltenen Wassers mit Hilfe starker Magnetfelder) haben aber zur Folge, dass mit aktuellen Geräten nur Auflösungen von bis zu 30µm pro Voxel erreichbar sind. Da mit dieser Methode das Untersuchungsobjekt aber nur minimalen Belastungen ausgesetzt ist, können z.B. die Vorgänge während der Metamorphose in der Puppe eines holometabolen Insekts beobachtet werden. An toten, fixierten Objekten wie z.B. einem Krebs mit dem Laich eines parasitischen Fisches in der Kiemenkammer, kann mit Hilfe der NMRI auch das feine Gewebe der Kiemen dargestellt werden. Mit diesen Daten kann anschließend z. B. ermittelt werden, wie stark die Kiemenfunktion durch das Gelege des Fische beeinträchtigt wird.

Laserscanning Mikroskopie

Für die Untersuchung besonders kleiner Objekte ist die konfokale Laserscanning Mikroskopie  (LSM) eine besonders gut geeignete Methode, wie Jan Michels (Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven) berichtete. Da die Kutikula von Arthropoden in der Regel eine starke Autofluoreszenz zeigt, können mit dieser Methode kleine Kutikulastrukturen, wie z.B. die Mandibeln von Crustaceen bis in feinste Details hinein untersucht werden. Wenn transparente Strukturen vorliegen, ist auch die Abbildung innerer Organe möglich, allerdings nur bis zu einer Eindringtiefe von einigen Zehntel Millimetern. Kopf ventral offen

Die in dem Workshop vorgestellten Untersuchungsmethoden eröffnen zum Teil völlig neue Möglichkeiten, die Morphologie, Anatomie, Physiologie und Ontogenese kleiner Evertebraten zu studieren und die Ergebnisse dieser Untersuchungen darzustellen. Es ist zu erwarten, dass µCT, NMRI, LSM und verwandte Methoden in den nächsten Jahren immer mehr Anwendung in der Biologie finden werden. Um diese Methoden für die Nutzung im Bereich der Evertebraten zu optimieren, ist ein reger Erfahrungsaustausch zwischen den Nutzern wünschenswert. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit dem Workshop in Göttingen unternommen.

Rebecca Klug, Gert Tröster, Thomas Hörnschemeyer Göttingen, 24.10.2005

Programm:

Thomas Hörnschemeyer & Gert Tröster Begrüßung
Oliver Betz &
Daniela Weide
(Uni Tübingen)
Möglichkeiten der Anwendung der Synchrotron-Mikro-Radiographie für morphologische und biomechanische Untersuchungen an Insekten
Martin Fanenbruck
(Uni Bochum)
Röntgen-µCT mit Synchrotronstrahlung: Potential und Perspektiven für die anatomische Untersuchung von Arthropoden und anderen Invertebraten
Daniela Weide &
Oliver Betz
(Uni Tübingen)
Vergleich von Daten der Synchrotron-Mikro-Tomographie mit konventionellen histologischen Schneidetechniken.
Thomas Hörnschemeyer
(Uni Göttingen)
3D-Rekonstruktion der Kopf- und Throraxmuskulatur aus µCT-Daten von "desk-top"-Anlagen
 Burkhard Rammner
(scimotion Hamburg)
Visualisierung von 3D-Daten
Christoph Held
(AWI, Bremerhaven)
Parasitierung von Paralomis formosa (Crustacea, Lithodidae) durch einen unbekannten Lipariden vor Süd-Georgien
Thomas Michaelis
(MPI Göttingen)
In vivo 3D MRT des Insektenhirns: Zerebrale Entwicklung waehrend der Metamorphose von Manduca sexta
 Jan Michels
(AWI Bremerhaven)
Darstellung chitinöser Strukturen mit der konfokalen Laserrastermikroskopie am Beispiel von Copepodenmundwerkzeugen

Allen Teilnehmern und Helfern sei herzlich gedankt, Ihre / Eure

Thomas Hörnschemeyer
Gert Tröster


E-Mail: thoerns@gwdg.de
E-Mail: gtroest@gwdg.de

zuletzt aktualisiert: 26. Oktober 2005 18:50