titel
Methoden
Psycholinguistik
Bilingualer Sprach-erwerb
Gebärdensprache
Variationslinguistik
Text- & Gesprächs-analyse
Linguistik & Literatur
Kapitel 3
Psycholinguistik


Aufgabe 1

Bitte beachten Sie: Für manche der Aufgaben gibt es keine „Lösung“, da sie kleine informelle Experimente sind (Aufgaben 2, 8).
Sie haben sicher herausbekommen, woher die Bezeichnung „Mondegreens“ kommt: Die Schriftstellerin Sylvia Wright hatte als Kind bei der schottischen Ballade „The Bonny Earl of Murray“ in der letzten Zeile des folgenden Verses immer das Folgende zu hören gemeint:

Ye Highlands and Ye Lowlands
Oh where hae you been?
They hae slay the Earl of Murray,
And Lady Mondegreen.


„Die arme Lady Mondegreen“ – hatte sie immer gedacht, bis sie, zu ihrer großen Verwunderung, Jahre später – nun des Lesens mächtig – dort geschrieben fand:

They hae slay the Earl of Murray,
And laid him on the green.


Glück gehabt, Lady Mondegreen! Sie lebt! A propos Tod: hier kommt mein Favorit aus meiner eigenen Kindheit: Ich dachte immer, der katholische Feiertag, an dem ich andächtig aus einem geflochtenen Weidenkörbchen Blumen auf die Straße streute, hieße „Fräulein Leichnam“. Das liegt ja auch viel näher, nicht wahr? Ich verstand nämlich „Fron“ als „Froll'n“, die Kurzform von „Fräulein“ und Fräulein wiederum passt gut zu Blumen. Und wer weiß schon, was „Fron“ heißt? Aber das ist eine andere Aufgabe und soll ein anderes mal gestellt werden.
Bestimmt haben sie ähnliche eigene Verhörer auf Lager. Wenn Sie sich an weiteren erfreuen wollen, so ist nach dem Erfolg des ersten Bandes von Hacke/Sowa (2004) der zweite Band (Hacke/Sowa 2007) herausgekommen.

Hacke, Axel und Sowa, Michael (2007): Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück. Zweites Handbuch des Verhörens. München: Kunstmann.

Aufgabe 2

Aufgabe 3

(i): Peter hat die Ärztin gestern im Krankenhaus sehr unterstützt.
(ii): Peter hat die Ärztin gestern im Krankenhaus sehr geholfen.

Der Satz (i) kann problemlos geparst werden. Es besteht aber eine syntaktische Ambiguität – „Peter“ und „die Ärztin“ können beide die grammatischen Rollen „Subjekt“ (im Nominativ) und „Objekt“ (im Akkusativ) ausfüllen. Diese Ambiguität bleibt allerdings latent, da es eine klare Verarbeitungspräferenz für „Subjekt > Objekt“ gibt. Den meisten von uns kommt sie nicht einmal in den Sinn. Erst wenn man „Peter“ einen Determinierer beifügt - „der Peter hat die Ärztin unterstützt“ vs. „den Peter hat die Ärztin unterstützt“, werden beide Lesarten offensichtlich und gleichzeitig disambiguiert.
Beim Satz (ii) gerät unser Parser auf den „Holzweg“. Genau wie in Satz (i) interpretieren wir „Peter“ als Nominativ-Subjekt und „die Ärztin“ als Akkusativ-Objekt. Wenn wir auf das Partizip „geholfen“ treffen, scheitert dieser Parse. Der Subkategorisierungsrahmen von „helfen“ sieht ein Dativ-Objekt vor – wir haben jedoch „die Ärztin“ als Akkusativ-Objekt analysiert. Zur Strafe muss zweimal reanalysiert werden: zum einen „Peter“ vom Nominativ-Subjekt zum (morphologisch allerdings unmarkierten) Dativ-Objekt und „die Lehrerin“ vom Akkusativ-Objekt zum Nominativ-Subjekt. Beachten Sie, dass der Determinierer „die“ (sg, fem) im Nominativ sowie im Akkusativ gleich lautet (vgl. Hemforth und Strube, 1999: 247).
Die Ambiguität in beiden Sätzen ist insofern eine etwas künstliche, als dass sie so nur in der geschriebenen Sprache, beim Lesen, vorkommt. In der gesprochenen Sprache werden beide Lesarten typischerweise prosodisch unterschiedlich markiert und von vornherein disambiguiert.

(iii): Die syntaktisch ambige Phrase „die Tochter der Lehrerin aus Deutschland“ hat die folgenden beiden Lesarten, welche durch die eckigen Klammern verdeutlicht werden:

(a). [[die Tochter der Lehrerin][aus Deutschland]]]
Die Präpositionalphrase [aus Deutschland] ist ein Attribut der komplexen Nominalphrase [die Tochter der Lehrerin], also ist hier die Tochter aus Deutschland.
(b). [[die Tochter] [der Lehrerin aus Deutschland]]
Die Präpositionalphrase [aus Deutschland] ist diesmal ein Attribut der Nominalphrase [der Lehrerin], also ist hier die Lehrerin aus Deutschland.

Aufgrund des Verarbeitungsprinzips „Late Closure“ wollen wir die Konstituente [aus Deutschland] an die letzte Konstituente anbinden, also an [die Lehrerin]. Daher gibt es bei der Verarbeitung von Satz (iii) eine Bevorzugung der Lesart (b) (vgl. Hemforth und Strube, 1999: 246: 246).

(iv): Der Politiker, der die Journalistin, die den Fotographen anheuerte, beschimpfte, erhielt viel Beifall.
(v): Der Politiker, der die Journalistin beschimpfte, die den Fotographen anheuerte, erhielt viel Beifall.

Satz (iv) ist typischerweise schwerer zu verarbeiten als Satz (v). Die zweifache Zentraleinbettung übersteigt die Grenzen unseres Arbeitsgedächtnisses. Wenn wir auf „beschimpfte“ treffen, schaffen wir es kaum, es an „die Journalistin“ anzubinden, da der zweite Relativsatz „die den Fotographen anheuerte“, dazwischensteht. In Satz (v) sind die beiden Relativsätze dagegen nicht ineinander eingebettet, sondern schließen sich jeweils linear aneinander an („Rechts-Verzweigung“) (vgl. Hemforth und Strube, 1999: 248)

Hemforth, Barbara und Strube, Gerhard (1999): Syntaktische Struktur und Sprachrezeption. In: Angela Friederici (Hrsg.): Sprachrezeption. Enzyklopädie der Psychologie, Abteilung C: Theorie und Forschung, Serie 3: Sprache, Bd. 2, 243-270. Göttingen: Hogrefe

Aufgabe 4

Der McGurk-Effekt belegt eindrucksvoll, dass unser Gehirn bei der Sprachwahrnehmung nicht nur auditive, sondern auch visuelle Reize, hier: artikulatiorische Mundbewegungen, verarbeitet. Im klassischen Experiment wurde auditiv die Silbe /ba/ präsentiert, dazu jedoch die Lippenbewegung von /ga/ gezeigt (in der Aufgabenstellung habe ich es umgekehrt angegeben). Als Ergebnis dieser künstlichen Kombination hören die meisten von uns eine „Scheinsilbe“ /da/, sozusagen ein Kompromiss aus beiden widersprüchlichen Informationen. Es gibt vielerlei Abwandlungen des Originalexperiments. Auf der in der Aufgabe angegebenen Website http://www.faculty.ucr.edu/%7Erosenblu/lab-index.html die Silbe /va/ mit verschiedenen Lippenbewegungen, etwa für /ba/, /va/, /da/, /tha/, /ma/, /ka/ kombiniert. Jedesmal hören wir etwas anderes. Nur, wenn wir die Augen schließen, bemerken wir, dass es immer das gleiche /va/ ist. Wie kann das sein? Die verschiedenen Theorien, die zur Erklärung des McGurk-Effekts vorgeschlagen wurden (und welche ebenfalls auf der obigen Website kurz erläutert werden) gehen alle davon aus, dass das Gehirn beide Informationsquellen gleichermaßen nutzt und integriert. Dabei kommt es zu „Scheinwahrnehmungen“ oder ganz falschen Wahrnehmungen. Einen Hinweis darauf, dass schon in der kognitiven Entwicklung die visuelle und die auditive Modalität zusammengehen, gibt die Studie von Tzourio- Mazoyer u.a. (2002), in der gezeigt wird, dass bei Kleinkindern, die Gesichter betrachten, auch das Broca-Zentrum aktiviert wird. Möglicherweise ist es evolutionär angelegt, dass beim Betrachten von Gesichtern sich auch das klassische Sprachzentrum angesprochen fühlt. Schließlich gibt es eine starke Korrelation von visueller und auditiver Information im Bereich des Gesichtes. Bei Erwachsenen gibt es allerdings keine derartige Mitaktivation des Broca-Zentrums bei der Verarbeitung von Gesichtern mehr. Der McGurk-Effekt zeigt jedoch, dass beiderlei Informationen nach wie vor eng miteinander zusammenhängen.

Tzourio-Mazoyer, N., de Schonen, S., Crivello, F., Reutter, B., Aujard, Y., and Mazoyer, B. (2002): Neural correlates of woman face processing by 2-month-old-infants. NeuroImage, 15, 454-461.

Aufgabe 5

(i) Dünnfall: Wortkontamination aus „Durchfall“ x „Dünnpfiff“. Bei der lexikalischen Selektion werden beide Lemmata durchgelassen. Bei der morphologisch-lautlichen Planung wird ein Kompromiss aus beiden Lautformen gebildet. Typischerweise wird der prosodische Rahmen einer der beiden Kandidaten beibehalten, hier von „Durchfall“, allerdings Material von beiden verwendet.
(ii) Das liegt schon eine Weile her: Phrasenkontamination aus „Das ist schon eine Weile her“ x „Das liegt schon eine Weile zurück“. Hier sind zwei phrasale Prädikate „her sein“ und „zurück liegen“ kontaminiert worden. Im Prinzip ist das gleiche passiert wie in (i). Man beachte, dass die Kompromissbildung auf der syntaktischen Ebene korrekt ankommt und die beiden eigenständigen Morpheme in die dafür vorgesehenen Lücken gehen.
(iii) Main-Taunus-Kraus: Phonem-Reiteration. Auf der positionalen Ebene der lautlichen Planung wird das Phonem /u/ von „Taunus“ im Diphthong /ai/ von „Kreis“ reiteriert. Man könnte auch argumentieren, dass das Diphthong /au/ von „Taunus“ der Herd ist. Beiderlei Erklärungen haben etwas für sich: Einerseits spielt die Distanz bei phonologischen Fehlern eine große Rolle (Fehler sind immer lokal, das würde das /u/ bevorzugen), andererseits bliebe bei /au/ als Herd die Einheit des Diphthongs erhalten. Von manchen Autoren (Poulisse, 1999) wird behauptet, Diphthonge würden bei Versprechern nie getrennt. Unsere Erfahrungen sind anders: es ist durchaus nicht unüblich, dass einzelne Bestandteile komplexer Phoneme (Diphthonge und Affrikaten wie /pf/ oder /ts/) bei Versprechern beteiligt sind. Schließlich ist es auch möglich, dass beide Herde zusammengewirkt haben.
(iv) Wir nennen Orten und Zeite: Vertauschung der Wurzelmorpheme „Zeit“ und „Ort“ bei gleichzeitiger Zurücklassung ihrer (nach Numerus und Genus) flektierten Kasus-Endungen „-en“ und „-e“. Diese Art von morphologischer Vertauschung wird „stranding“ genannt. Sie findet auf der Ebene der morphologischen Planung statt.
(v) Fahr nicht so raskant: Phonem-Antizipation. Auf der positionalen Ebene der lautlichen Planung wird der Vokal /a/ von „riskant“ in der Silbe zuvor vorweggenommen.
(vi) Wenn die Wolke scheint: Semantische Substitution. „Wolke“ und „Sonne“ stehen in einer paradigmatischen Beziehung zueinander. Aufgrund ihrer Bedeutungszusammengehörigkeit wird bei der lexikalischen Auswahl das falsche Lemma selektiert.
(vii) Der zieht sich bislang gut aus der Atmosphäre: formale Wortsubstitution („Malapropismus“). „Affäre“ und „Atmosphäre“ sind formal recht ähnlich, zumal beides Fremdwörter sind. Als Lemma geplant wurde „Affäre“, aber aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit wurde auf der lautlichen Ebene danebengegriffen und die lautliche Form von „Atmosphäre“ aktiviert.

Aufgabe 6

Ihre kleine Sammlung sollte Evidenz für die folgenden Regularitäten liefern können (vgl. Poulisse 1999, chapter 1):

1. Die meisten Versprecher sollten phonologische Fehler sein, also Antizipationen, Reiterationen, Vertauschungen oder Ersetzungen von einzelnen Lauten oder Lautgruppen.
2. Sie sollten insgesamt (über alle Einheiten: Phoneme, Morpheme, Wörter hinweg) mehr Antizipationen finden als Reiterationen. Antizipationen sind „gute“ Fehler – sie werden von Erwachsenen gemacht, werden mit zunehmender Praxis (Durchgängen in Tests) und bei flüssiger Sprachproduktion häufiger; Perseverationen sind „schlechte“ Fehler – Kinder und Aphasiker machen sie, sie treten bei geringer Übung in Tests auf und bei langsamen Sprechern. Sprachplanung ist antizipatorisch, „nach vorne“ gerichtet, Perseverationen dagegen entstehen bei ungenügender Unterdrückung von bereits abgehandelten sprachlichen Einheiten (Dell, Burger und Svec, 1997).
3. Sie sollten insgesamt nur wenige Vertauschungen finden. Dieser Befund ist kontrovers, tatsächlich beträgt die Vertauschungsrate in manchen Korpora bis zu 20%. Das ist allerdings höchstwahrscheinlich ein „Sammel-Artefakt“, denn Vertauschungen sind amüsant, auffällig und bleiben besser in Erinnerung als ordinäre Antizipationen oder Perseverationen und haben von daher eine größere Chance, berichtet zu werden.
4. Positionseffekte: bei syntagmatischen phonologischen Fehlern (Antizipationen, Perseverationen, Vertauschungen) interagieren immer Einheiten in gleichen Positionen (in der Silbe oder im Wort) miteinander. Bei phonologischen Fehlern also Onset mit Onset, Nucleus mit Nucleus, Coda mit Coda. Bei Morphemen interagieren Präfixe mit Präfixen, Wurzeln mit Wurzeln und Suffixe mit Suffixen.
5. Die meisten syntagmatischen phonologischen Fehler treten in Wort- oder silbeninitialer Position auf. Fehler in der Mitte oder am Ende eines Wortes oder einer Silbe sind seltener.
6. Sie sollten mehr Fehler in betonten als in unbetonten Silben finden.
7. Die meisten ihrer Fehler werden Wörter der offenen Klasse (Inhaltswörter) betreffen, also Nomen, Verben, Adjektive, Adverbien, aber nicht Wörter der geschlossenen Klasse (Funktionale Kategorien).
8. Zwei miteinander interagierende Segmente (insbesondere bei phonologischen Vertauschungen) sind sich phonetisch ähnlich. Die meisten der Ziel-Fehler-Paare unterscheiden sich nur in einem oder zwei Merkmalen voneinander. Lautliche Ähnlichkeit spielt also eine große Rolle bei Lautfehlern.
9. „Repeated phoneme effect“: Zwei Segmente sind wahrscheinlicher von einer Vertauschung betroffen, wenn ihnen identische Laute vorausgehen oder folgen, z.B. bei „heft hemisphere“ folgt den beiden interagierenden Konsonanten („left“ und „he“(misphere)) jeweils ein /e/.
10.Sie werden wahrscheinlich keinen Fehler finden, den es so als Wort des Deutschen nicht geben könnte. Sicher haben Sie Wörter dabei, die im Lexikon des Deutschen nicht existieren, aber die doch die phonotaktischen Regeln (Kombinationsmöglichkeiten von Lauten) und das Phoneminventar des Deutschen respektieren (also mögliche Nicht-Wörter sind).
11. Häufiger sollten die Wörter, die aufgrund phonologischer Fehler entstehen, echte Wörter des Deutschen sein als mögliche Nicht-Wörter. Dieser sogenannte „lexical bias“ Effekt ist allerdings auch nicht unkontrovers (siehe Text).
12. Bei Ihren Wortsubstitutionen sollten stets semantisch ähnliche („Wolke“-“Sonne“) oder lautlich ähnliche Wörter („Atmosphäre“, „Affäre“) vorkommen. Es gibt auch „gemischte Fehler“, die sowohl formale als auch semantische Ähnlichkeit zum Zielwort aufweisen („rat“ für „cat“).
13. Bei Wortkontaminantionen sollten Synonyme oder für den Kontext äquivalente Wörter beteiligt sein, z.B. „Patinte“ („Patrone“-“Tinte“).
14. Wortfehler sollten Wörter derselben Wortklasse (N,A,V) betreffen. Dieser „Wortklasseneffekt“ ist ähnlich wie der Positionseffekt für Segmente und Morpheme in (4).

Diese Regularitäten sind so robust, dass die meisten von ihnen auch auf Ihr Korpus zutreffen werden. Wenn nicht, so kann das verschiedene Gründe haben: zu geringer Umfang des Korpus, evtl. persönliche Fehler-Tendenzen, Beobachter-Bias, Sammel-Bias, Einflüsse anderer Sprachen, und vieles mehr. Fragen Sie sich, wie Ihre Stichprobe zusammengesetzt ist und wie Sie gesammelt haben.

Dell, Gary S., Burger, Lisa K. & Svec, William R. (1997): Language Production and Serial Order: A Functional Analysis and a Model. Psychological Review, 104, (1), 123-147.
Poulisse, Nanda (1999): Slips of the tongue. Speech errors in first and second language production. Amsterdam: John Benjamins. Chapter 1: Literature Review. Slips of the tongue in adult native speech, 5-33.


Aufgabe 7

Zielwort: „Rose“
Erwarteter Effekt
Distraktortyp:
Phonologisch ähnlich
Hose
Phonologische Erleichterung: „Rose“ kann schneller benannt werden, nachdem man „Hose“ verarbeitet hat.
Semantisch ähnlich
Tulpe
Semantische Interferenz: „Rose“ wird langsamer benannt, nachdem man „Tulpe“ verarbeitet hat.
Sem.und phon. ähnlich
Moose
Je nachdem, ob der kritische Zeitbereich „erwischt“ wird: semantische Interferenz oder phonologische Erleichterung. Im Überschneidungsbereich evtl. variable Effekte.
Morphologisch ähnlich
Rose-n
Erleichterung.
Vermitteltes priming:
Stulpe
Geringe Erleichterung aufgrund der phonologischen Ähnlichkeit zum vermittelnden Wort „Tulpe“.
Kein Bezug
Fahrrad
Kein oder geringster Effekt.

Aufgabe 8

Aufgabe 9

Das seriell-modulare Modell von Levelt und Kollegen und das spreading-activation Modell von Dell und Kollegen haben grundsätzlich unterschiedliche Ansichten darüber, durch welchen Mechanismus die entsprechenden Lautformen an die geplanten Lemmata angebunden werden. Nach dem Levelt-Modell geschieht dies über „binding by checking“, d.h. es wird überprüft, ob die richtige Lautform ausgewählt wurde, die zu dem Lemma passt. Der übergeordnete Knoten, z.B. das Lemma , ist über eine Abgleichprozedur mit seinem nachgeordneten Knoten, der Lautform [kiŋ], verbunden. Nach dem Dell-Modell geschieht diese Bindung über „binding by timing“, d.h. der passende Knoten sammelt über mehrere Zyklen hinweg Aktivation an, um zum Zeitpunkt der Selektion am höchsten aktiviert zu sein. Dann ist die Wahl korrekt. Dass in der Regel der richtige Knoten am höchsten aktiviert ist, liegt daran, dass nur er aufgrund seiner Entsprechung direkt mit seinem übergeordneten Knoten verbunden ist, während die anderen Knoten aufgrund ihrer mehr oder weniger starken Ähnlichkeit nur „mit“-aktiviert werden. Dies ist z.B. der Fall bei semantischer Inhibition, wenn ein bedeutungsmäßig ähnliches Wort im Wort-Bild-Interferenz Paradigma die Benennung des Bildes durch das Zielwort zeitlich etwas verzögert, es aber in der Regel nicht zu einem Fehler kommt. Nach dem Levelt-Modell kommt es in diesem Fall nicht zu einem Versprecher, weil der phonologische Gehalt dieses konkurrierenden Knotens bei der „binding by checking“ Prozedur als unpassend befunden wird. Nach dem Dell-Modell kommt es dagegen deswegen nicht zu einem Versprecher, weil der konkurrierende Knoten in diesem Zeitraum nicht genug Aktivation angesammelt hat und weil ein Aufmerksamkeitsmechanismus die Aktivation genau auf das Zielwort focussiert. Die Rolle von Zeit bei der Sprachproduktion liegt also nach Dell in der aufmerksamkeitsgesteuerten Kontrolle des timings der Aktivation von Netzwerkknoten.

Levelt, Willem J.M., Roelofs, Ardi, and Meyer, Antje S. (1999): A theory of lexical access in speech production. Behavioral and Brain Sciences, 22, 1-75.
Dell, Gary S., Ferreira, Victor S., and Bock, Kathryn (1999): Binding, attention, and exchanges.Behavioral and Brain Sciences, 22, 41f.


Aufgabe 10

Die Stroop-Aufgabe ist vielfach untersucht worden. Wenn Sie den Selbstversuch gemacht haben, werden Sie festgestellt haben, dass es unendlich viel mühsamer ist, die Farben zu benennen, in denen die Wörter geschrieben sind anstatt die Farbnamen vorzulesen, egal, ob sie in einer neutralen Farbe (schwarz) oder einer konfligierenden bunten Farbe gedruckt sind. Das liegt daran, dass Lesen eine hochautomatisierte Fertigkeit ist, die zu unterdrücken, wie es der kritische Durchgang beim Stroop-Test verlangt, uns erhebliche Probleme bereitet. Unsere Lesefertigkeit mit ihrer Außenstelle, dem Sprachproduktionssystem, drängelt sich ständig vor und ergreift die Initiative: „Lass mich lesen! Ich kann's, da steht's doch: rot!“ Dagegen muss sich unser zentrale Exekutive, der Teil unseres Arbeitsgedächtnisses, dem die bewusste Kontrolle von Aufmerksamkeit obliegt, schwerfällig verwahren: „Es soll doch gar nicht gelesen werden, du Neunmalklug! Es soll doch der Farbname genannt werden: wenn da „rot“ in grüner Schrift steht, musst du „grün“ sagen, kapiert?“ „Na gut..., das dauert aber etwas länger“. Und so dauert es eben etwas länger.
Wenn Ihnen der Stroop-Test gefallen hat, können Sie weitere Varianten ausprobieren. Es gibt Stroop-Aufgaben mit

Richtungen (z.B. das Wort „links“ auf der rechten Seite eines Rechtecks gedruckt)
Zahlen (z.B. das Wort „Hund“ zweimal geschrieben)
Bildern (z.B. das Wort „Hund“ auf das Bild einer Katze geschrieben)
Emotionen (Wörter werden je nach emotionalem Gehalt schneller oder langsamer gelesen)

Eine Auswahl alternativer Stroop-Aufgaben finden sie auf der Website „Neuroscience for Kids“.