titel
Methoden
Psycholinguistik
Bilingualer Sprach-erwerb
Gebärdensprache
Variationslinguistik
Text- & Gesprächs-analyse
Linguistik & Literatur
Kapitel 8
Linguistik und Literatur


Aufgabe 1


In Michael Endes »Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch« gibt es ein Gedicht »in der Fachsprache der Laborzauberer« (Ende 1989, 147 f.):

Man nehme kathotyme Phleben
Und katafalkes Polyglom
Und lasse beides zyklisch schweben
In dramoliertem An-Atom
Durch schlehmilierte Ektoplasen
Purgiert sich schismothymes Myrth
Das wiederum mit Antigasen
Zum Prosten alkoholisiert.
Basierend auf humanem Morchel
aus ungeflaxtem Proklamat
Tingiert der aziphere Schnorchel
Gratinisch mit dem Thermostat
Konjekturiert die Unglykose
Sodann auf Säureparität,
ballonisiert sich die Skelerose
zur Hoch-Promille-Qualität;
doch ist die Dosis nicht halunkisch
durch ganoviertes Krimminol,
bleibt die komplexe Drexe flunkisch
als unstabiler Ulkohol.
Drum achte man aufs Hirngebläse,
Beim diabolischen Kontarkt,
denn scheuert die Schimären-Fräse,
dann schnibbelt leicht der Sadofarkt.
Ist dies erfyllt, so byllt sich thymisch
Galaxenparalaxenwachs
in pyromanem Salz alchymisch
als asdrubales Minimax.


Identifizieren Sie alle verbalen Okkasionalismen auf -ieren und analysieren Sie ihre Struktur. Erläutern Sie, inwiefern es sich um eine »Fachsprache« handelt und wodurch der sprachspielerische Effekt entsteht. (Wer mag, kann sich auch an den weiteren Okkasionalismen versuchen).


Aufgabe 2

1. Suchen Sie bei dem Gedicht »Doppelmoppel« (1934) von Kurt Schwitters drei Beispiele für sprachliche Formen, die nicht spezifisch für literarische Texte sind.
2. Finden Sie ferner drei Beispiele für sprachliche Formen, die charakteristisch sind für literarische Texte.
3. Diskutieren Sie für jede literarische Form in b., ob sie eine Adaption einer sprachlichen Form darstellt.


Doppelmoppel

Der Herr von Doppelmoppel
hat alle Dinge doppel.
Er hat ein Doppelkinn
mit Doppelgrübchen drin.
Er führt ein Doppelleben,
das zweite stets daneben.
Er hat ein Doppelweib
zum Doppelzeitvertreib.
Der Herr von Doppelmoppel
hat eben alles doppel.

(Aus: Schwitters, Kurt: »Das literarische Werk«. Bd. 1. Köln: Dumont 1973, 103)


Aufgabe 3

Identifizieren sie in dem folgenden Textanfang möglichst viele deiktische und anaphorische Elemente (Aus: Remarque, Erich Maria: »Im Westen nichts Neues«. Köln: Kiepenheuer & Witsch 200320, 11):

Wir liegen neun Kilometer hinter der Front. Gestern wurden wir abgelöst; jetzt haben wir den Magen voll weißer Bohnen mit Rindfleisch und sind satt und zufrieden. Sogar für abends hat jeder noch ein Kochgeschirr voll fassen können: dazu gibt es außerdem doppelte Wurst- und Brotportionen – das schafft. So ein Fall ist schon lange nicht mehr dagewesen: der Küchenbulle mit seinem roten Tomatenkopf bietet das Essen direkt an; jedem, der vorbeikommt, winkt er mit seinem Löffel zu und füllt ihm einen kräftigen Schlag ein. Er ist ganz verzweifelt, weil er nicht weiß, wie er seine Gulaschkanone leer kriegen soll.


Aufgabe 4

a. Versuchen Sie, die nachfolgende Kurzgeschichte von Bertolt Brecht nach dem Labov-Waletzky-Schema einzuteilen.
b. Überlegen Sie ferner,welche Sätze oder Satzteile der Orientierung dienen und welche der story-line zuzuordnen sind.
c. Welche kognitiven Repräsentationen im Sinne des Bottom-up/Top-down-Prozesses können bei diesem Text ermittelt werden?
d. Welcher frame wird durch den Titel evoziert und durch welche Aussagen wird der Leser veranlasst, diesen frame zu revidieren?


Gastfreundschaft

Wenn Herr K. Gastfreundschaft in Anspruch nahm, ließ er seine Stube, wie er sie antraf, denn er hielt nichts davon, daß Personen ihrer Umgebung den Stempel aufdrückten. Im Gegenteil bemühte er sich, sein Wesen so zu ändern, daß es zu der Behausung paßte; allerdings durfte, was er gerade vorhatte, nicht darunter leiden.
Wenn Herr K. Gastfreundschaft gewährte, rückte er mindestens einen Stuhl oder einen Tisch von seinem bisherigen Platz an einen anderen, so auf seinen Gast eingehend. »Und es ist besser, ich entscheide, was zu ihm paßt!«, sagte er.

(Bertolt Brecht: »Geschichten vom Herrn Keuner«. In: Gesammelte Werke, Bd. 12. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1968, 386)


Aufgabe 5

Identifizieren Sie alle Sprechakte in dem folgenden Dialog, dem letzten Auftritt aus Kleists Drama »Der zerbrochene Krug« (1811) (in: Kleists Werke in zwei Bänden. Berlin: Aufbau-Verlag 1976, 102):


FRAU MARTHE:
Sagt doch, gestrenger Herr, wo find ich auch
Den Sitz in Utrecht der Regierung?

WALTER:
Weshalb, Frau Marthe?

FRAU MARTHE empfindlich:
Hm! Weshalb? Ich weiß nicht –
Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn?

WALTER:
Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,
Und Dienstag ist und Freitag Session.

FRAU MARTHE:
Gut! Auf die Woche stell ich dort mich ein.
Alle ab


Aufgabe 6

Versuchen Sie, in diesem Text möglichst viele Metaphern zu identifizieren. Handelt es sich dabei um komparative oder projektive Metaphern?

Autos schossen aus schmalen, tiefen Straßen in die Seichtigkeit heller Plätze. Fußgängerdunkelheit bildete wolkige Schnüre.Wo kräftigere Striche der Geschwindigkeit quer durch ihre lockere Eile fuhren, verdickten sie sich, rieselten nachher rascher und hatten nach wenigen Schwingungen wieder ihren gleichmäßigen Puls.Hunderte Töne waren zu einem drahtigen Geräusch ineinander verwunden, aus dem einzelne Spitzen vorstanden, längs dessen schneidige Kanten liefen und sich wieder einebneten, von dem klare Töne absplitterten und verflogen.An diesem Geräusch, ohne daß sich seine Besonderheit beschreiben ließe, würde ein Mensch nach jahrelanger Abwesenheit mit geschlossenen Augen erkannt haben, daß er sich in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien befinde.

(Robert Musil: »Der Mann ohne Eigenschaften«. Gesammelte Werke Bd. 1. Reinbek: Rowohlt 1978, 9)


Aufgabe 7

Beschreiben Sie einige Aspekte des Zusammenhang zwischen Spracherwerb und Literaturerwerb anhand des folgenden Laternenlieds (anonym):

Ich geh mit meiner Laterne
und meine Laterne mit mir.
Dort oben leuchten die Sterne,
hier unten leuchten wir.
Mein Licht ist aus,
ich geh nach Haus.
Rabimmel, rabammel, rabumm.


Aufgabe 8

a. Welche besonderen stilistischen Merkmale weist der Anfang des Jugendromans »Ich ganz cool« von Kirsten Boie auf?
b. Die Autorin hat in einem Interview behauptet, dass sie Jugendliche in der Hamburger S-Bahn belauscht und ihre spezifische Jugendsprache nachgeahmt habe. Diskutieren Sie, ob es sich wirklich um authentische Jugendsprache handelt oder um eine literarische Bearbeitung jugendsprachlicher Elemente.

»Schule, also logisch, das bockt nicht so, aber was sollst du machen, ich geh trotzdem hin. Und zurück denn immer, also zurück ist logisch besser, geh ich meistens mit Holger und Recep, und denn machen wir noch Mutjoggen auf dem Weg. Also Mutjoggen, nä, darfst du erst losrennen, wenn das Auto voll auf der Kreuzung ist; der Kühler muß hinter der Fensterscheibe von Edeka, sonst gilt das nicht. Gibt es auch keine Ausnahme. Recep sagt, egal, ob einer kleiner ist oder was und kürzere Beine hat, ganz egal.Wer mitmachen will, gleiche Spielregeln. Der Trick ist, du mußt an der Stelle rennen, wo die Baustelle ist, da können die Autos nicht ausweichen. Bremsen können sie da auch nicht mehr, haben wir alles abgecheckt. Entweder, du bist schnell genug rüber, oder bommmppp!, ist es gewesen. Alles nur noch Matsche. Ja Pech.«

(Kirsten Boie: »Ich ganz cool«. Hamburg: Oetinger 1992, 5)