Analyse und praktische Umsetzung unterschiedlicher Methoden des
‘Randomized Branch Sampling’

Leitung: Prof. Dr. J. Saborowski; Ausführung: J. Cancino.

Das Random Branch Sampling (RBS) ist ein Stichprobenverfahren entwickelt zur Schätzung von Parametern individueller Bäume. Die Methode benutzt die natürliche Verzweigung innerhalb des Baums, um schrittweise Stichproben zu nehmen. Ihre Benutzung erfordert die Definition von Knoten an bestimmten Verzweigungspunkten (ein Punkt, an dem sich ein Ast oder Astteil in zwei oder mehrere Äste verzweigt) und Segmenten (ein Astteil zwischen zwei aufeinanderfolgenden Knoten). Man beginnt die Aufnahme der Stichprobe am ersten Knoten mit der Auswahl eines der von dort ausgehenden Segmente, folgt diesem ausgewählten Segment und wiederholt die Auswahl, falls am Ende dieses Segments ein weiterer Knoten existiert. Man beendet die sequentielle Auswahl, wenn ein Endsegment ausgewählt wird, d. h. ein Segment, an dessen Ende kein Knoten mehr vorliegt. Die Menge der aufeinanderfolgenden Segmente zwischen dem ersten Knoten und einem Endsegment nennt man Pfad. Um einen weiteren Pfad auszuwählen, wiederholt man die selbe Prozedur. Die Schätzung des Zielparameters für den vollständigen Baum realisiert man aufgrund der Werte der Zielvariablen, die entlang des Pfads gesammelt werden. Obwohl die Schätzung des Zielparameters für den Baum aufgrund eines einzigen Pfades realisiert werden kann, braucht man mindestens zwei Pfade, um den Standardfehler der Schätzung berechnen zu können.

Um die Auswahl der Segmente eines Pfads durchzuführen, kann man eine Hilfsgröße definieren, die durch messen oder schätzen an den Segmenten eines Knotens erfaßt werden kann. Obwohl grundsätzlich jede Segmenteigenschaft als Hilfsgröße definiert werden kann, ist es sinnvoll, eine Hilfsgröße zu wählen, welche eine enge Beziehung zur Zielgröße aufweist, um eine möglichst kleine Variabilität der Schätzung zu erreichen. Schon Jessen (1955), der das Verfahren entwickelt hat, weist auf diesen Punkt hin.

Jessen (1955) entwickelte das RBS-Verfahren zur Schätzung der Anzahl von Früchten an Obstbäumen. Das Verfahren schließt Auswahlwahrscheinlichkeiten proportional zur Größe und Ziehen mit Zurücklegen an jedem Knoten ein, d.h. bei der Auswahl mehrerer Pfade kann ein Segment an einem bestimmten Knoten mehrere Male ausgewählt werden. Der Wert der Zielgröße am Segment wird zur Schätzung durch die Reziproke des kumulierten Produkts der bedingten Auswahlwahrscheinlichkeiten bis zu dem entsprechenden Segment vergrößert. Die Summe der so vergrößerten Werte im Pfad gibt eine Schätzung der Zielgröße für den vollständigen Baum.

Spätere Arbeiten über das RBS-Verfahren benutzen ohne Modifizierungen das selbe Auswahl- und Schätzverfahren zur Schätzung von Parametern an Waldbäumen, bei denen der Hauptstamm, wenn er existiert (z.B. in Spezies mit monopodial Wachstum), als ein weiteres Segment berücksichtigt wird. Z. B. schätzen Valentine und Hilton (1977) die Blattklumpenanzahl an Quercus spp. Sie wenden das RBS-Verfahren innerhalb aller Hauptäste an, die als Straten berücksichtigt werden. Jeder Pfad wird beendet, wenn ein einziger Blattklumpen erreicht wird. Die visuell geschätzte Blattbiomasse wurde als Hilfsgröße definiert. Valentine et al. (1984) schätzen das gesamte oberirdische Frischgewicht von Nadeln und Holz in einem gemischen Laubbestand. Sie wenden das Verfahren im einzelnen Baum an und definieren das Produkt "Segmentdurchmesser mal restliche Astlänge" als Hilfsvariable; jeder Pfad wird beendet, wenn ein Segment mit Durchmesser kleiner oder gleich 5 cm erreicht wird. Die selbe Hilfsvariable definiert Williams (1989), um die gesamte oberirdische Biomasse an Pinus taeda L. zu schätzen. Als Knoten gelten nur die Quirle des Hauptstamms, und er beendet jeden Pfad, sobald ein Ast ausgewählt wird oder wenn der Stammdurchmesser an einem Quirl kleiner oder gleich 5 cm ist. Valentine et al. (1994) stratifizieren die Baumkrone in Drittelabschnitte und wenden das RBS-Verfahren innerhalb einiger Äste an, um die Nadelbiomasse an Pinus taeda L. zu schätzen. Sie benutzen das Quadrat des Segmentdurchmessers als Hilfsgröße.

Diese Beispiele zeigen eindeutig die Flexibilität des RBS-Verfahrens und die Notwendigkeit einer geeigneten Hilfsgröße. Das RBS-Verfahren bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Sowohl der erste Knoten eines Pfades als auch sein letztes Segment können sehr unterschiedlich definiert sein, Eigenschaften auf die Gregoire et al. (1995) Nachdruck legen. Hier muß man bemerken, daß die Fixierung des ersten Knotens den Baumteil bestimmt, für welchen die Schätzung gültig ist. Für jede Zielvariable kann man eine günstige Hilfsvariable finden. Jessen (1955) empfiehlt z. B. die Astquerschnittsfläche als Hilfsgröße zur Schätzung der Fruchtanzahl, eine Empfehlung, die mit der Theorie von Shinozaki et al. (1994a und b) übereinstimmt. Diese Theorie geht davon aus, daß die Blattquantität eines Baumes in enger Beziehung zu den Ast- und Stammquerschnittsflächen steht.

Das RBS-Verfahren ist über mehr als 40 Jähre unverändert angewendet worden. Während dieser Zeitperiode gab es nur kleinere konzeptionelle Beiträge wie die Einführung der Begriffe der bedingten und unbedingten Wahrscheinlichkeiten in das RBS-Verfahren (Valentine et al., 1984). Diese Autoren haben auch eine elegante mathematische Nomenklatur verwendet. Weitrerhin wurde die Anwendung der Stratifizierung vorgeschlagen, ein bekanntes Hilfsmittel zur Varianzreduzierung. So stratifizieren z. B. Valentine et al. (1994) die Baumkrone in Drittel, d. h. Straten von konstanter Größe (Länge). Später empfahlen Gaffrey und Saborowski (1999) eine günstigere Stratifizierung. Sie halten es für wichtig, die Länge der Kronensektionen variabel zu halten, mit dem Ziel Hauptäste mit vergleichbaren Nadelmassen innerhalb jedes Stratums zu haben, um damit kleinere Varianzen zu erreichen.

Ein weiterer Vorschlag zur Varianzreduzierung wurde von Saborowski und Gaffrey (1999) gemacht. Sie schlagen die Auswahl der Segmente des ersten oder zweiten Knotens ohne Zurücklegen vor, woraus sich zwei modifizierte Verfahren ergeben. Der Vorschlag basiert auf der bekannten Tatsache, daß bei einfachen Zufallstichproben das Ziehen ohne Zurücklegen (ZoZ) effizienter als Ziehen mit Zurücklegen ist (s. Cochran, 1977). Die Autoren wählen zur Auswahl mit ungleichen Wahrscheinlichkeiten und ohne Zurücklegen die Methode von Sampford (1967) und bauen sie in die Schätzer für mehrstufige Stichproben (siehe Saborowski 1990) ein.

Die gegenwärtige Arbeit hat als Hauptziel, einen Vergleich zwischen dem klassischen RBS- und den modifizierten Verfahren durchzuführen. Außerdem werden die Auswirkungen der Wahl der Hilfsgröße und speziell der Baumkronenstruktur auf die Varianz des Schätzers analysiert. Dazu wurde ein Computerprogramm (Delphi) angefertigt. Das Programm erlaubt die Aufnahme von Stichproben sowohl mit dem klassischen als auch mit den modifizierten RBS-Verfahren sowie die Analyse von verschiedenen Hilfsgrößen und der Kronenstruktur.

 

Literatur.

Cochran, W.G. 1977: Sampling techniques. Wiley, New York.

Gaffrey, D. und Saborowski, J. 1999: RBS, ein mehrstufiges Inventurverfahren zur Schätzung von Baummerkmalen. I. Schätzung von Nadel- und Asttrockenmassen bei 66-jährigen Douglasien. AFJZ 170 (10/11): 177-183.

Gregoire, T.G., Valentine, H.T. and Furnival, G.M. 1995: Sampling methods to estimate foliage and other characteristics of individual trees. Ecology 76(4): 1181-1194.

Jessen, R.J. 1955: Determining the fruit count on a tree by randomized branch sampling. Biometrics 11: 99-109.

Saborowski, J. 1990: Schätzung von Varianzen und Konfidenzintervallen aus mehrstufigen Stichproben. Schriften aus der Forstlichen Fakultät der Universität Göttingen und der Niedersächsischen Forstlichen Versuchsanstalt, Bd. 99.

Saborowski, J. und Gaffrey, D. 1999: RBS, ein mehrstufiges Inventurverfahren zur Schätzung von Baummerkmalen. II. Modifizierte RBS-Verfahren. AFJZ 170(12): 223-227.

Sampford, M. R. 1967: On sampling without replacement with unequal probabilities of selection. Biometrika 54(3/4): 499-513.

Shinozaki, K.K., Yoda, K., Hozumi, K. and Kira T. 1964a: A quantitative analysis of plant form - the pipe model theory. I. Basic analyses. Jap. J. Ecol. 14: 97-105.

Shinozaki, K.K., Yoda, K., Hozumi, K. and Kira T. 1964b: A quantitative analysis of plant form - the pipe model theory. II. Further evidence of the theory and ist application in forest ecology. Jap. J. Ecol. 14: 133-139.

Valentine, H.T. and Hilton, S.J. 1977: Sampling oak foliage by the randomized-branch method. Can. J. For. Res. 7: 295-298.

Valentine, H.T., Baldwin, Jr. V.C. Gregoire, T.G., and Burkhart, H.E. 1994: Surrogates for foliar dry matter in loblolly pine. For. Sci. 40: 576-585.

Valentine, H.T., Tritton, L.M. and Furnival, G.M. 1984: Subsampling trees for biomass, volume, or mineral content. For. Sci. 30(3): 673-681.