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Ich arbeite mit Argumenten, nicht mit dem heiligen Geist

Gerd Lüdemann über sein Verhältnis zur Kirche

GOSLAR. Gerd Lüdemann wirft der Kirche vor, Forschungsergebnisse zu verschleiern. Mit ihm sprach GZ-Redakteurin Dr. Christiane Schlüter.

GZ: Was raten Sie einem Pfarrer, der sich ihrer Kritik anschlieÝt, aber aus materiellen Gründen gezwungen ist, weiterhin sonntags "antike Texte zu murmeln", wie Sie es nennen?

Lüdemann: Ich kenne Pfarrer, die laden mich regelmäÝig ein, ohne selbst offen hervorzutreten. Der konkret betroffene Pastor ist in einer schwierigen Situation. Da ist Zivilcourage gefordert. Er sollte etwa die Versetzung in ein Schulpfarramt beantragen. Das würde das Landeskirchenamt wohl auch machen. Man würde es nicht verzeihen, wenn er an die Öffentlichkeit ginge. Aber das ist auch nicht nötig. Das tue ich ja quasi stellvertretend.

GZ: Zugespitzt: Glauben Sie, daÝ Sie für die evangelische Kirche einmal eine Bedeutung haben könnten, wie Luther sie für seine Kirche hatte?

Lüdemann: Das weiÝ man nie. Luther hatte von sich ja auch nicht gedacht, eine Reformation zu machen. Aber ich verstehe mich im Rahmen der Universität und der Moderne, und die hat jeden Anspruch auf Erkenntnisprivilegien hoffentlich ad absurdum geführt. Ich arbeite mit Argumenten, nicht mit dem heiligen Geist.

GZ: Sind die Studentenzahlen in Ihren Veranstaltungen gesunken?

Lüdemann: Sie sind konstant geblieben, was angesichts der Halbierung der Studentenzahlen eine Zunahme bedeutet. Ich habe von einer Gruppe Studierender groÝen Zuspruch. Die Frommen kommen sowieso nicht zu mir. Und eine ganze Menge sind verlängstigt, weil heute der Druck der Kirchen auf die Studenten enorm ist: Die meisten bekommen keine Stelle mehr.

GZ: Predigen Sie, und besuchen Sie noch Gottesdienste?

Lüdemann: Derzeit besuche ich nur Gottesdienste in den USA, aber auch nur wenige. Bis auf weiteres predige ich nicht, weil da zuviel Neugierige kommen würden und weil ich dafür zuviel über das Glaubensbekenntnis und gegen die Kirche gesagt habe und mich das sehr belasten würde.

GZ: Würden die Kirchenaustritte merklich abnehmen, wenn sich die Kirche auf den von Ihnen gedanklich vorgezeichneten Weg begäbe?

Lüdemann: Nein. Dazu trägt die Kirche zu sehr die Last, eine Institution des Staates geworden zu sein, und die Autorität des Staates bröckelt ab. Ich weiÝ auch nicht, ob eine herkömmliche Form von Kirche nach meiner Kritik möglich ist. So halte ich von Predigtgottesdiensten für die nächste Zeit gar nichts. Für mich wären Gottesdienste reine Kultgottesdienste, mit den Gleichnissen Jesu und mit Musik, die die Menschen zusammenführen kann - also das, was die emotionale Seite unseres Daseins ausdrückt.

(Dr. Christiane Schlüter, Goslarer Zeitung, 4.12.1996)


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Letzte Aktualisierung am 22. April 2020
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