Borna Disease Virus:


Die Bornasche Erkrankung ist eine schwere, häufig tödlich verlaufende immunvermittelte Meningoenzephalitis bei Schafen und Pferden welche in der Mitteldeutschen Stadt Borna erstmals beschrieben wurde (Gosztonyi et al., 1995; Ludwig et al., 1988; Rott und Becht, 1995). Als Ursache dieser Erkrankung wurde das Borna Virus (BDV) identifiziert, ein nicht-lytisches neurotropes negativ strängiges RNA-Virus (de La Torre, 1994; Schneemann et al., 1995; Van de Woude et al., 1990). Experimentell kann eine BDV Infektion bei vielen Tierarten ausgelöst werden, und es ist daher sehr wahrscheinlich, daß es auch beim Menschen zu einer Infektion kommen kann (Gosztonyi and Ludwig, 1995; Rott und Becht, 1995). In Übereinstimmung mit dieser Hypothese wurden in verschiedenen Studien in Gehirn oder Liquor schizophrener Patienten sowie von Patienten mit anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen BDV RNA oder Protein nachgewiesen (Bode et al., 1996; Nakamura, 1998; de la Torre, 1996; Deuschle et al., 1998; Rott et al., 1985; Bode et al., 1988; Sauder et al., 1996; Fu et al., 1993; Yamaguchi et al., 1999;Salvatore et al., 1997; Chen et al., 1999). Da es allerdings auch verschiedene negative Befunde bzw. Funde von BDV Infektionen in „gesunden“ Kontrollpersonen gibt (Kubo et al., 1997; Richt et al., 1997; Evengard et al., 1999;Kim et al., 1999; Czygan et al., 1999; Haga et al., 1997; Kishi et al., 1995), ist der etiologische Zusammenhang zwischen einer BDV Infektion und neuropsychiatrischen Strörungen umstritten.


Im Gegensatz zum Menschen sind die Befunde zu den Folgen einer Infektion mit dem BDV bei der Ratte sehr viel eindeutiger. Zwei Nagermodelle der Bornaschen Erkrankung sind verfügbar (Briese et al., 1999). Bei einer Infektion immunokompetenter adulter Ratten kommt es zu einer Meningoenzephalitis ähnlich der bei Huftieren beobachteten, mit charakteristischen Bewegungs und Verhaltensdefiziten. Bei einer Infektion neonataler Tiere können im Gegensatz dazu keine akuten Reaktionen beobachtet werden. Stattdessen kommt es in der weiteren Entwicklung zu morphologisch sichtbaren Fehlbildungen des Cortex, des Hippocampus und des Cerebellums (Monjan et al., 1971;1973; Oster-Granite 1976; Rubin et al., 1999), die zu subtilen Störungen des Lernens und Verhaltens führen können (Solbrig et al., 1994; 1996; Sauder et al., 2001). Aufgrund dieser besonderen Charakteristik erscheint das Modell der neonatalen BDV-Infektion am besten geeignet den Anteil viraler Infektionen an der Entstehung neuropsychiatrischer Erkrankungen zu untersuchen.


Neonatal mit dem BDV infizierte Ratten zeigen eine Vielfalt physiologischer Änderungen und Verhaltensdefizite. So sind diese Tiere kleiner als nicht-infizierte Wurfgeschwister (Bautista et al., 1994; Carbone et al., 1991), weisen eine höhere Salzaufnahme auf und zeigen einen veränderten Schlaf-Wach-Rhythmus (Bautista et al., 1994). Die Ursache für den beobachteten Minderwuchs ist bislang ungeklärt, da infizierte Tiere weder eine Verminderung der Glucosekonzentration, noch des Wachstumshormons oder des insulinartigen Wachstumsfaktors (IGF)-1 aufweisen (Bautista et al., 1994). Auch die Nahrungsaufnahme ist nicht gestört (Bautista et al., 1995). Was das Verhalten angeht zeigen sich bei neonatal infzierten Tieren leichte Defizite im räumlichen Lernvermögen, beim Erlernen und Erkennen schädlicher Reize, sowie eine erhöhte motorische Aktivität und verminderte Angstreaktion (Dittrich et al., 1989; Bautista et al., 1994). Zudem zeigen neonatal infizierte Ratten einen abgeschwächten Spieltrieb (Pletnikov et al., 1999).


Die humorale Immunantwort auf das BDV ist in neonatal infizierten Ratten schwach ausgeprägt (Carbone et al., 1991). Zwar kommt es zu einer transienten unspezifischen Immunantwort mit einem Maximum ca. 3 Wochen nach der Infektion die jedoch nach weiteren zwei Wochen nahezu abgeklungen ist (Hornig et al., 1999; Sauder et al., 1999). Während dieser Immunantwort kommt es zu einer vermehrten Freisetzung verschiedener Cytokine aus Makrophagen und Mikroglia des ZNS, wie z.B. von IL-1a, IL-1b, IL6 und TNFa) im Hippocampus, der Amygdala, dem Cerebellum und dem prefrontalen Cortex sowie im Nucleus accumbens (Hornig et al., 1999; Sauder et al., 1999). Die Rolle dieser Immunantwort für die Schädigung durch das Virus scheint allerdings eher begrenzt zu sein, da thymektomierte Tiere nach einer Infektion mit dem BDV die gleichen Defizite zeigen wie Tiere mit intaktem Immunsystem (Jordan and Lipkin, 2001).


Während bei einer akuten Infektion mit dem BDV vorwiegend Neuronen betroffen sind, stellen bei der latenten Infektion neugeborener Tiere Astrocyten ein Hauptreservoir für dessen Erhaltung und Vermehrung im ZNS dar (Carbone et al., 1989). Astrocyten reagieren auf Schädigungen des ZNS mit einer charakteristischen Folge zellulärer Antworten die unter dem Begriff der reaktiven Astrogliose zusammengefaßt werden. Auch bei einer perinatalen Infektion mit dem BDV kommt es zu derartigen Reaktionen die mit einer Induktion des astrogliären Markerproteins GFAP, sowie des Tissue Factors, eines Cytokinrezeptors einhergehen (Carbone et al., 1991; Bautista et al., 1995 ; Stitz et al., 1992). In Astrocyten die mit dem BDV infiziert wurden ist die außerdem die Aufnahme von Glutamat aus dem extrazellulären Raum gestört (Billaud et al., 2000). Bei einer akuten Infektion kommt es dabei zu einer Erhöhung der Glutamataufnahme, während die Glutamataufnahme bei chronisch infizierten Zellen nahezu vollständig inhibiert ist.