John D. Fitzgerald: Das hat der Kopf sich ausgedacht

Gütersloh : Bertelsmann, s.a.

EST: The Great Brain (1967)

Nachdem ich am Samstagmorgen die Brennholzkisten und Kohleneimer in Küche und Wohnzimmer aufgefüllt und Tom und Sweyn geholfen hatte, die Hühner, unsere beiden Zugpferde, die Milchkuh und Sweyns Mustang-Pony zu füttern und zu tränken, kletterte ich oben auf unsere Scheune. Ich konnte über Olsons Hof hinweggucken. Ich konnte auch die hintere Veranda von Howards Haus sehen. Ich dachte schon, Mrs. Kay komme niemals mehr aus dem Haus, aber schließlich erschien sie doch. Sie hatte einen großen Sonnenhut auf und Samenpäckchen in der Hand und ging schnurstracks in ihren Gemüsegarten.

Ich kletterte von der Scheune. Ich ging kühn die Hauptstraße entlang, an Kays Haus vorbei, bog dann in einen Feldweg.

(...)

Dann ging ich nach oben in Howards Zimmer. Es war leer. Ich spähte vorsichtig oben zum Fenster hinaus. Mrs. Kay stand über ihre Gemüsebeete gebeugt und säte. Ich ging nach unten, wo sich, wie ich wußte, zwei Schlafzimmer befanden. Ich hörte Howard im Schlafzimmer seiner Mutter husten. Fast hätte ich laut losgelacht, als ich die Tür öffnete und Howard sah. Seine Wangen und Kinnladen waren dick aufgepustet wie ein Luftballon mit einem aufgemalten komischen Gesicht.

"Du darfst hier nicht rein", flüsterte Howard.

Ich trat ans Bett. Ich beugte mich über ihn und ging mit meinem Gesicht ganz dicht an seins heran. "Atme mich an und steck mich mit Mumps an", sagte ich.

"Bist du plemplem?" fragte er. "Mumps tut höllisch weh. Tut mir sogar weh, wenn ich rede."

"Wenn du ein echter Freund bist, steckst du mich mit Mumps an", bat ich ihn. "Nur so kann ich mit Tom und Sweyn quitt werden. Einer von beiden kriegt immer als erster eine neue Krankheit. Darum haben sie es dann gerade hinter sich, wenn ich krank werde. Ich möchte wenigstens einmal als erster wieder gesund sein, damit ich sie mal so richtig quälen kann, wie sie das immer mit mir machen."

"Na schön", sagte Howard. "Trotzdem glaube ich, daß du plemplem sein mußt, wenn du den Mumps abhaben willst."

Howard erwies sich als echter Freund. Er kam dicht an mich heran mit dem Gesicht und atmete mich an, während ich tief einatmete. Das klappte gerade ganz famos, und ich steckte mich richtig schön an, da hörten wir die Fliegentür an der hinteren Veranda zuknallen.

"Jetzt ist's passiert", flüsterte Howard und schaute sich verstört im Zimmer um. "Schnell! Versteck dich unterm Bett!"

Ich verschwand gerade noch rechtzeitig unterm Bett. Ich konnte Frau Kays Schuhe und Knöchel sehen, als sie dann ins Zimmer kam.

"Fehlt dir irgend etwas, mein Junge?" fragte sie.

"Nein, alles in Ordnung, Mama", antwortete Howard.

"Ich will nur gerade noch die Radieschen säen", sagte seine Mutter. "Das dauert nicht lange."

Mrs. Kay ging wieder. Ich kroch unter dem Bett hervor. Ich setzte mich auf die Bettkante und ging mit dem Gesicht dicht an Howards Gesicht heran. Er atmete in mein Gesicht, während ich scharf einatmete, bis wir überzeugt waren, daß ich mich schön gründlich angesteckt hatte.

"Du bist ein wahrer Freund", sagte ich.

"Wenn du meinst, John", sagte Howard, als hätte er seine Zweifel.

Ich konnte nicht anders, ich war stolz auf mich, als ich mich auf demselben Weg, den ich gekommen war, auf den Heimweg machte. Diesmal würde ich nun ganz gewiß eine Krankheit als erster kriegen. Und gerade dann, wenn ich den Mumps überstanden hätte, würde es die beiden erwischen. Ich sah meine Brüder schon im Bett liegen, Wangen und Kinnladen dick geschwollen, und leiden, wenn ich schon wieder ganz gesund war. Junge, würde ich es denen heimzahlen!

(S. 40-42)

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