Joe Coomer: Der Papagei, das Telefon und die Bibliothekarin

Bern u.a.: Scherz Verl., 1996.

EST: The Loop

Er sah sie an, sah auf den See hinunter. Er legte ihr die Hand ins Kreuz. "Wir sind so von uns eingenommen", sagte sie, "daß wir uns Gott oft nach unserem eigenen Bild schaffen und in einer gigantischen Selbsttäuschung sagen, er hätte uns nach seinem Bild geschaffen. Wahrscheinlich denkst du deshalb, der Papagei hätte einen Sinn. Findest du's nicht komisch, daß dein Gott so aussieht wie du?"

Er sah sie fragend an, versuchte zu verstehen, was sie verstand, was sie dazu brachte, ihn zu erforschen. Warum hatte sie sich gerade ihn ausgesucht?

"Wenn du schon im Besitz der Wahrheit bist, wieso ist ihr Überbringer dann so wichtig? Wen interessiert es schon, wer dem Vogel das alles beigebracht hat? Das spielt doch keine Rolle. Er oder sie kann längst tot sein. Was zählt, ist der Sinn. Ich glaub, du verstehst das Leben nicht, genauso wie ich nicht wüßte, wie man ein Auto repariert. Für mich ist da unter der Kühlerhaube nur ein Riesendurcheinander." Sie hielt einen Moment inne, um Luft zu holen, gerade so lange, daß er sich zu ihr beugen und sie hinters Ohr küssen konnte.

"ich glaube", flüsterte er zwischen zwei vorbeifahrenden Autos, "manche Frauen meinen, ein Mann wird erst in dem Moment geboren, wo sie ihm begegnen. Als hätte er, bevor sie auf der Bildfläche erscheinen, gar nicht existiert." Sie wandte sich ihm zu und zog ihren Reißverschluß bis ganz unten auf. Sie nahm seine Hand, führte sie unter ihr Hemd und legte sie auf ihren nackten Bauch. "Fühl mal", sagte sie. "Sagt dir das was? Ich mein das Gefühl. Wie sich's für deine Hand anfühlt. Nicht weiter, nur da. Fühlt sich das nicht schön an? Ist das nicht das absolute Nonplusultra? Das mußt du doch merken."

Er sah zu ihr auf. "Warm ist es", sagte er.

"Können wir irgendwohin? Ich mein, jetzt sofort. Auf der Stelle."

Er nickte.

(S. 164/165)

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