Richard Brautigan: Das Hawkline Monster : ein seltsamer Western mit 2 Killern, 2 schönen Frauen und 1 Monster

Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verl., 1990

EST: The Hawkline Monster (1974)

Gegen Ende des Abendessens verließ das Hawkline Monster die Halsketten und stattete dem Tisch einen Besuch ab. Es zog sich auf die Größe einer Schöpfkelle zusammen, die in einer großen Saucenschüssel auf dem Tisch steckte. Der Schatten des Monsters lag auf der Oberfläche der Sauce und tat so, als sei er auch Sauce.

Es fiel dem Schatten [natürlich hat jedes Monster auch einen Schatten, A.N.] sehr schwer, so zu tun, als sei er Sauce, aber er gab sich große Mühe bei dieser schauspielerischen Einlage und schaffte es irgendwie.

Cameron amüsierte sich darüber, daß das Monster sich jetzt auf den Tisch begeben hatte, und er verstand, wie schwierig es für den Schatten war, so zu tun als sei er Sauce.

"Die Sauce schmeckt ja wirklich prima", sagte Greer zu Cameron.

"Ja", sagte Cameron und schaute Greer an.

"Wollen Sie noch ein bißchen Sauce?" fragte Miss Hawkline.

"Sie schmeckt wirklich gut", sagte Greer. "Wie steht's mit dir, Cameron, noch ein bißchen Sauce?"

Der Schatten des Hawkline Monsters machte sich auf der Sauce so flach, wie er nur konnte. Das Monster selbst fühlte sich ein bißchen unbehaglich in der Schöpfkelle, die etwas stärker glänzte als sie sollte.

"Ich weiß nicht. Ich bin ziemlich satt jetzt. Aber ..." Cameron legte die Hand auf die Kelle. Er berührte jetzt das Hawkline Monster. Obwohl sie in einer Schüssel mit heißer Sauce steckte, war die Schöpfkelle kalt.

Cameron überlegte sich nebenbei, wie, zum Teufel, er das Monster umbringen könnte, aber ihm fiel keine Methode ein, mit der man einen Löffel umbringen konnte, und dehalb benutzte er das Hawkline Monster einfach, um noch ein bißchen Sauce auf seine Kartoffeln zu geben.

Das Monster tat ihm den Gefallen und ließ sich als Schöpfkelle benutzen. Der Schatten rutschte aus der Kelle, als Cameron die Sauce aus der Schüssel nahm, und plumpste in die Schüssel zurück.

Der Schatten fühlte sich sehr unbehaglich und fing fast an zu schwitzen.

Cameron legte die Kelle wieder in die Schüssel zurück und erschreckte damit den Schatten noch einmal, der jetzt fast in Panik geriet.

"Wie steht's mit dir, Greeer? Magst du noch was von der guten Sauce hier?"

Die Hawkline-Schwestern freuten sich darüber, daß ihre Sauce so großen Anklang fand.

"Nein, Cameron. So gut wie sie ist, ich bin einfach zu voll", sagte Greer. "Ich glaub, ich bleib einfach hier sitzen und schau dir zu, wie du dir's schmecken läßt. Ich schau gern dabei zu, wenn es jemandem schmeckt."

Der Schatten hatte das Gefühl, er müßte sich gleich übergeben.

(S. 96-97)

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