Physikalische Prozesse in der Ökologie: Verdunstung
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Seminar und Übung

- Physikalische Prozesse in der Ökologie -



Unter Verdunstung versteht man die Phasenumwandlung von flüssigem Wasser in Wasserdampf. Sie ist ein entscheidender Prozess sowohl für den physikalischen Zustand der Atmosphäre (Wetter, Klima) als auch für die Wasserversorgung von Ökosystemen (Pflanzen, Boden).

Ist die Atmosphäre auch nur wenige Prozente untersättigt, verdunsten feuchte Oberflächen flüssiges Wasser. Unter Kondensation versteht man die Umkehrung der Verdunstung. Die Richtung des Transportes hängt von dem Vorzeichen  der Differenz der chemischen Potenziale zwischen Ausgangs- und Endzustand des Wassers ab,  d.h., z.B. als Flüssigwasser in Lösungen wie Oberflächengewässer,  Apoplastenlösung in den Zellwänden von Blättern oder  Bodenlösung, oder in Form von Wasserdampf in der Atmosphäre. Im ökologischen Bereich sind wir gewohnt, das chemische Potenzial des Wassers auch einfach als Wasserpotenzial Ψ, die Differenz vom unter Spannung befindlichen Wasser zum freien Wasser, zu bezeichnen. Diese Differenz ist negativ und wird als Druck (=Energie / Volumen) in der Einheit Pa angegeben.
Das chemische Potenzial des Wassers hängt eng mit der relativen Feuchte zusammen. Bereits wenige % Untersättigung der Atmosphäre bedeuten schon ein sehr stark negatives chemisches Potenzial von einigen MPa, also viel höher als das in der Wurzelzone des Bodens oder auch im pflanzlichen Gewebe. Im Gleichgewichtsendpunkt ist die Änderung des chemischen Potenzials gleich Null. Die Atmosphäre erreicht dieses Gleichgewicht jedoch i.d.R. nicht. Durch Ausregnen bleibt die Atmosphäre in der Regel m.o.w. stark untersättigt.
 Wasserpotenzial

Abb. 1: Beziehungen zwischen Wasserpotenzial in Boden - Pflanze und Atmosphäre.

Verdunstung I: Vom Psychrometer bis zur Penman-Gleichung


Die Flussdichte des Wasserdampfes  von einer Wasseroberfläche E (Evaporationsrate = Rate der Wasserdampfabgabe pro Quadratmeter pro Zeit) bestimmt jedoch nicht die Differenz des chemischen Potenzials, sondern die Differenz des Wasserdampfpartialdruckes zwischen der Oberfläche und einer Referenzhöhe und die Leitfähigkeit der Atmosphäre (g=1/r). Die folgenden Überlegungen sollen ihnen das Verständnis für die Steuerung und die quantitative Beschreibung der Verdunstung vermitteln.
 

Allgemein gilt für die Verdunstungsrate (Wasserdampfflussdichte)

(Gl. 1)
mit rw als den Transportwiderstand für Wasserdampf,  ρw der absoluten Feuchte (ρw=Wasserdampfdichte in kg /m³)  und pL dem Luftdruck in Pa (Erklärungen zu den verwendeten Symbolen vgl. auch Anleitung für das meteorologische Instrumentenpraktikum Versuch 3). Im rechten Term ist derselbe Sachverhalt für den Wasserdampfpartialdruck, e in Pa dargestellt. Dies hat den Vorteil, dass wir den Dampfdruck direkt an der Wasseroberfläche gut kennen:
   (Gl. 1b),
wenn die Oberflächentemperatur bekannt ist.

Die Verdunstung von Wasser ist nicht nur ein Stoff- sondern auch ein Energiefluss. Die Energiemenge, die für die Verdunstung verbraucht wird, ist das Produkt aus Verdunstung und Verdampfungswärme λw, oder hier  einfach λ, also gilt

. (Gl. 2)
  λw hat in guter Näherung den Wert von ca. 2,5 MJ/kg und hängt nur leicht von der Temperatur ab.

Die Betrachtung von Energieströmen nutzt uns für die Bestimmung der Transportgrößen, weil wir nun eine Energiehaushaltsgleichung mit Hilfe des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik (Energieerhaltungssatz) aufstellen können. Abweichend von der Ihnen aus der Bioklimatologie I- Vorlesung bekannten Energiehaushaltsgleichung verwenden wir hier ihre international gebräuchliche Form:
    (Gl. 3).
Hier steht Rn für die Nettostrahlung, G für den Boden-Bestandeswärmestrom (Energiezunahme positiv) und λE und H für den latenten und den fühlbaren Wärmestrom (beide nach oben positiv) alle Größen in W/m².
Ein der Gleichung 2 entsprechender Ausdruck für H ist
H     (Gl. 4),
in dem cp die spezifische Wärmekapazität für Luft bei konstantem Druck ist (1004 J/(K kg)).
 


Psychrometer

Vorbereitend zur komplizierten Situation im Baumbestand betrachten wir nun die beiden Thermometer eines Psychrometers. Das Psychrometer ist ein leicht verständliches Modell einer adiabatischen Zustandsänderung, bei der Energieflüsse zwischen der Luft und der Oberfläche (Feucht- oder Trockenthermometer) vorkommen können.

Stellen Sie für die folgenden Situationen die Gleichung 3 auf und charakterisieren sie ihre Terme in ihrer Beziehung zu Null (>, = oder < 0).

  1. Trockenthermometer vor Einstellung des Gleichgewichtszustandes         (Gl. 5)
  2. Trockenthermometer nach Einstellung des Gleichgewichtszustandes       (Gl. 6)
  3. Feuchtthermometer nach Einstellung des Gleichgewichtszustandes         (Gl. 7)
Durch Einsetzen von Gl. 2 und Gl. 4 in ihre Gl. 7 erhalten sie die sog. Sprung'sche Gleichung für das ideale Psychrometer, wenn sie annehmen, dass rw = rH.
(Gl. 8)

Diese Gleichung wird zur Berechnung des aktuellen Dampfdruckes aus der Temperaturdifferenz zwischen Trocken- und Feuchtthermometer eines Psychrometers nach Einstellung des Gleichgewichtes verwendet. Uns besagt sie etwas darüber, in welchem Maße im adiabatischen Fall durch Verdunstung die Temperatur an der Oberfläche absinkt und dabei der aktuelle Dampfdruck zunimmt.
Mit γ wird die Psychrometerkonstante bezeichnet, sie nimmt bei 20 °C einen Wert von 66 Pa/K an.

Abb. 2: Dampfdruck-Temperatur-Diagramm und einige Feuchtegrößen (s steht für Oberflächentemperatur des Feuchtthermometers, Td ist die Taupunkttemperatur, Teq, die Äquivalenttemperatur).
 



 Potenzielle Verdunstung über einer freien Wasseroberfläche

Lassen wir nun Strahlung zu und behandeln damit den allgemeingültigeren, diabatischen Fall, wie er in der Natur die Regel ist.
Die Differenz zwischen Netto-Strahlung und Wärmespeicherung (Rn-G, auch als verfügbare Strahlungsenergie bezeichnet) steht nun für den latenten und den fühlbaren Wärmestrom zur Verfügung. Doch wie teilt sich diese Energie auf?
Stellen Sie die Energiehaushaltsgleichung auf und machen Sie sich so den Ansatz zur Beantwortung dieser Frage klar.

 Rn-G, rH=rw, e und T sind messbare Größen, bzw. können leicht aus Messungen abgeleitet werden. Schwieriger ist dies für die Oberflächentemperatur Ts und der entsprechende Dampfdruck an der Oberfläche Es(Ts).
Auf Penman (1948) geht ein Ansatz zurück, mit dem die Oberflächentemperatur angenähert werden kann (Gleichung in Abb. 3 ).
 
 

Abb. 3: Wie Abb. 2 nur dass Oberflächentemperatur und -dampfdruck durch Strahlungsgabsorption um eine unbekannte Größe angehoben wurden (schwarzer Pfeil).

Setzt man diese Näherung für die Oberflächenfeuchte ein und löst die Energiehaushaltsgleichung nach dem latenten Wärmestrom auf, so ergibt sich die sog. Penman-Gleichung als

.  (Gl. 10)

Sie werden erleichtert feststellen, dass die Oberflächentemperatur nicht mehr in der Gleichung vorkommt.

Mit Gl. 10 können Sie die Verdunstung einer "Freien" Wasseroberfläche, z.B. eines mit Regenwasser bedeckten Waldes bestimmen. Diese Größe wird auch als potenzielle Verdunstung bezeichnet. Die Differenz zwischen Niederschlag und der potenziellen Verdunstung, die sog. atmosphärische Wasserbilanz, wird als ein Indikator für die Wasserversorgung aus allgemeinen Wetterdaten berechnet.

Penman, H.L. (1948): Natural evaporation from open water, bare soil and grass. Proc. Roy. Soc. London A(194), 120-145.



Verdunstung II: Penman-Monteith-Gleichung und Energiehaushalt von Waldbeständen


Die aktuelle Verdunstung ist nicht immer gleich der potenziellen Verdunstung, da Pflanzenbestände die Transpiration über die Stomata (Schließzellen der Blätter) regulieren. Monteith (1968) erweiterte Gl. 10 zur modifizierten Penman-Monteith-Gleichung, indem er den Stomatawiderstand des Bestandes in die Gleichung integrierte. Dieser Ansatz ist der klassische Fall eines "big leaf"-Modells: der Bestand wird wie ein einziges großes Blatt behandelt.

  (Gl. 11)

Der Stomatawiderstand ist eine physiologische Größe, für die es empirische Beziehungen zu physikalischen Umweltvariablen gibt, die zuvor aus mikrometeorologischen und ökophysiologischen Feldmessungen abgeleitet wurden.

Als Beispiel für eine Parametrisierung für den rs eines Waldbestandes gibt Wesely et al. (1989) wie folgt an:

  (Gl. 12)

Q ist hier die Globalstrahlung in W/m2 und mit T die Blatttemperatur in °C. Die beiden Faktoren [Q] und [T] stehen für die Einheit der Globalstrahlung, bzw. der Blatttemperatur. Durch die Multiplikation werden diese Terme des empirischen Modells einheitenlos. Für alle übrigen Bedingungen (nachts) wird ausschließlich kutikuläre Verdunstung angenommen (z.B. rs = 2000 s/m).

Wesely, M.L., Sisteron, D.L. and Jastrow, J.D., 1989. Parameterisation of surface resistance to gaeous dry deposition in regional-scale numerical models. Atmospheric Environment, 23(6): 1293-1304.

Es existieren eine Reihe von anderen Parametrisierungen, aus denen diese nur aus Gründen der einfachen Handhabung ausgewählt wurde. Es wird an dieser Stelle eindrücklich davor gewarnt, diese Parametrisierung als allgemeingültig anzusehen.
 
 

Monteith, J.L.(1965): Evaporation and environment (Hrsg.): The state and movement of water in living organisms, Symposia of the Society for Experimental Biology.  Cambridge University Press , 205-234.
 

Übungen zu dieser Einheit finden sie hier.
 
 

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Autor: Andreas Ibrom
aibrom@gwdg.de
Letzte Änderung am 22.01.2001