Physikalische Prozesse in der Ökologie: Photosynthese
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Strahlungsverteilung und Photosynthese -

Seminar und Übung
- Physikalische Prozesse in der Ökologie -




Die Nettophotosynthese der Blätter liefert Kohlenhydrate für Wachstum und Erhalt der Waldbäume. In diesem Kurs werden fundamentale Beziehungen angesprochen, die die Netto-Photosynthese von Baumkronen und Kronenschichten steuern. Es werden folgende Themen behandelt:

  1. Photosynthese auf Blattebene
    1. Photonenflussdichte statt Energieflussdichte
      Lichtantwortfunktion der Photosynthese
  2. Strahlungsverteilung in trüben Medien aus Blättern oder Nadeln
    1. Interaktion zwischen Blättern und Strahlung und optische Blatteigenschaften
      Anordnung der Blätter im Raum auf verschiedenen Skalen
  3. Berechnung der Photosynthese

Photosynthese auf Blattebene


Die photosynthetisch aktive Strahlung (PAR)

Entsprechend der photochemischen Prozesse bei der Photosynthese wirken vom Blatt absorbierte Photonen innerhalb des Wellenlängenbereiches 400 - 700  nm unabhängig ihres Energiegehaltes, d.h. überschüssige Energie wird über Fluoreszenz abgestrahlt oder führt zur Erwärmung des Blattes. Daher ist es sinnvoll, die Photonenflussdichte (FPAR im englischen auch PPFD, Einheit [µE/(m² s)]) und nicht den Energiegehalt der ankommenden Strahlung zu messen. Dieses wird mit einem PAR-Sensor mittels Filtern dadurch erreicht, dass energiereichere (= kürzere) Wellenlängen entsprechend stärker herab gewichtet werden (Abb. 1). Eine andere Bezeichnung für den PAR-Sensor ist deshalb auch "Lichtquantenzähler" (quantum sensor). Das PAR-Konzept hat in der Pflanzenökophysiologie das Lichtkonzept LUX abgelöst. Die Einheit µE (mikro Einstein) entspricht 10-6 mol Photonen. Sie haben in der Übung 3 bereits ausgerechnet, wie groß der Anteil des PAR-Bereiches an der Globalstrahlung in Energieeinheiten ist. Näherungsweise gilt für Strahlung außerhalb von Baumkronen FPAR  ca. =  2·G ·  µE/(m²·s) · (W/m²)-1.

Abb. 1: Spektrale Filterung der kurzwelligen Strahlung des PAR-Sensors (LI-190, Fa. LI-COR, Lincoln, USA)


Die photosynthetisch nutzbare Strahlung (PUR)

Messungen der Photosyntheseleistung von Blättern in Abhängigkeit vom Spektrum der einfallenden Strahlung zeigten jedoch, dass die Photosyntheseaktivität nicht über den gesamten Wellenbereich des Lichtes konstant ist, sondern vielmehr im Grünbereich (550 nm) ein Minimum aufweist (Abb. 2). Hier ist die Absorption des (grünen!) Chlorophylls minimal. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil in diesen Wellenlängenbereich das Intensitätsmaximum der Globalstrahlung fällt. Der PUR-Sensor soll die einfallende Strahlung so wichten, wie es der mittleren spektralen Empfindlichkeit der Photo-synthese grüner Pflanzen entspricht. Die PUR-Strahlung wird hier in Energiestromdichte (W/m²) wie z.B. bei der Globalstrahlung und bei der Strahlungsbilanz angegeben.


Abb. 2: Die mittlere spektrale Wirkungsfunktion der Photosynthese.


Die wissenschaftliche Entwicklung der letzen 30 Jahre hat die wesentlichen Grundlagen der Steuerung der Photosynthese- und Blattgaswechselraten  aufgedeckt. Diese Grundlagen sollen hier nicht behandelt werden. Wir werden uns nur mit ihrer Lichtabhängigkeit und das nicht kausal sondern nur phänomenologisch beschäftigen.

Thornley beschrieb das Sättigungsverhalten der Brutto-Photosynthese GPR in Abhängigkeit von der Photonenflussdichte I mit der nicht rechtwinkligen Hyperbel:

(Gl. 1)

mit den Parametern a: Lichtausnutzungseffizienz, Pmax: maximale Photosyntheserate und q: Parameter für die Krümmung der Hyperbel. Die Form dieser Funktion ist in Abb. 3 dargestellt.
 
 


Abb. 3: Lichtabhängigkeit der Bruttophotosyntheserate von Sitkafichtenzweigen (Leverenz und Jarvis, 1983).

Die Nettophotosynthese NPR ergibt sich durch Berücksichtigung der Atmungsrate Rd nach

.  (Gl. 2)
Für die Dunkelatmungsrate kann bei 20°C für Sonnennadeln z.B. 1,6 für Schattennadeln 0,8 µmol CO2/(m²·s) angesetzt werden.


Theorie der Strahlungsverteilung in trüben Medien aus Blättern oder Nadeln


Interaktion zwischen Blättern und Strahlung und optische Blatteigenschaften
 

Blätter wechselwirken auf verschiedene Weise mit der kurzwelligen Strahlung. Dabei ergeben sich sowohl spektrale Intensitätsunterschiede als auch Richtungsänderungen der Strahlung (Abb. 4 und Abb. 5).


Abb. 4: Reflexion, Transmission und Absorption eines Blattes (generalisiert, nach Monteith und Unsworth, 1990).

Diese optischen Blatteigenschaften wollen wir mit τ für die Transmission, α für die Absorption und ρ für die Reflexion bezeichnen (Achtung: Absorption nicht mit der Lichtausnutzungseffizienz verwechseln).

 


Abb. 5: Richtungsabhängigkeit der Streuung (nach Kranigk, 1994)

Die Berücksichtigung all dieser Einflussgrößen mach die Simulation der Strahlung in Kronenräumen numerisch extrem kompliziert und bisher nur für Spezialisten mit dem nötigen mathematischen Background möglich.

Es kann jedoch für unsere Zwecke nach geeigneten Näherungen gesucht werden. Ein erster Schritt ist der, von isotroper  Streuung auszugehen (ρ=τ) und die spezielle Richtungsabhängigkeit dann nur in zwei Richtungen zu betrachten (1D-Ansatz), bzw. noch stärker vereinfacht die Blätter in erster Näherung als schwarz anzusehen (ρ=τ=0 und α=1). Wie in Tab. 1 zu erkennen ist, werden damit die optischen Eigenschaften von Fichtennadeln im PAR-Bereich gut angenähert.

Tab. 1: Relative optische Eigenschaften von Fichtenzweigen über zwei Wellenlängenbereiche der solaren Strahlung gemittelt in % (Panfyorov, 2000).
Prozess VIS (=PAR) NIR
Absorption 90 41
Reflexion 7 26
Transmission 3 33
 


Anordnung der Blätter im Raum auf verschiedenen Skalen

Die Blattskale

Es ist unmittelbar einsehbar, dass die Strahlung nur mit dem Teil der Oberfläche wechselwirkt, der der Strahlungsquelle zugewand ist. Mathematisch gesprochen, heißt diese Fläche die senkrecht zur Strahlungsausbreitungsrichtung projizierte Fläche. Abb. 6 stellt diesen Zusammenhang am Beispiel eines Kollektives von Buchenblättern dar.


Abb. 6: Ein Kollektiv von Buchenblättern in einem Volumenelement und ihre projizierte Fläche senkrecht zur Strahlrichtung Ω (aus Kranigk, 1994).

Die projizierte Fläche Ap ist in der Regel kleiner als die selten gleich der Gesamtfläche A. Das Verhältnis Ap/A wird bei senkrechter Sonneneinstrahlung als Extinktionskoeffizient k bezeichnet.  k ist eine Funktion der Blattstellungswinkelverteilung. Wenn wir uns die verschiedenen Formen vorstellen, die die Artenvielfalt von Waldbäumen hervorgebracht hat, stellen wir leicht fest: Die Blattstellungswinkel sind keineswegs konstant! Vielmehr variieren sie sowohl in azimutaler Richtung (Kompassrichtung) als auch in vertikaler Richtung. Häufig reicht es aus, die azimutale Verteilung der Blattstellungswinkel als gleichverteilt anzunehmen (jede Richtung kommt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit vor). In der vertikalen Winkelverteilung kommt es jedoch zu charakteristischen Unterschieden sowohl zwischen verschiedenen Arten als auch innerhalb der Blattkollektive bestimmter Kronenbereiche mancher Baumarten (Sonn- Schattenmodifikation).
Für die Strahlungsverteilung in Medien von schwarzen Blättern hat k eine ganz einfache Konsequenz. Die Strahlungsabschwächung in einer Schicht ist proportional zu Ap. Die Strahlungsabschwächung pro Blattfläche ist dann

   (Gl. 3),
mit I für die Photonenflussdichte und L dem Blattflächenindex der durchstrahlten Schicht, d.h. der Blattfläche bezogen auf eine Einheitsgrundfläche.
Das Lambert und Beer'sche Gesetz der Strahlungsextinktion ist die über die Blattfläche vieler dünner Blattschichten integrierte Form der Differenzialgleichung Gl. 3.
  (Gl. 4)
und beschreibt die Intensität an einem Punkt in einem homogenen Medium, nachdem eine (kumulative) Blattfläche L durchstrahlt wurde. I0 ist die Photonenflussdichte vor Eintritt der Strahlung in das Medium. Dieser Zusammenhang wird anhand des Beispielkollektivs aus Abb. 6 in Abb. 7 visualisiert.


Abb. 7: Überlagerung der Projektionen eines Blattkollektivs.



Die Blattwinkelverteilungen lassen sich einfach anhand der Oberflächen geometrischer Körper darstellen.  Denn, ordnet man die Blattstellungswinkel nach Azimut- und Vertikalwinkel, so kann man daraus Oberflächen einfacher, geometrischer Figuren konstruieren. Unter der Annahme, dass alle Azimutwinkel gleichverteilt sind, bilden senkrecht angeordnete Blätter einen Zylinder, horizontal angeordnete Blätter eine Ebene. Ist neben dem Azimutwinkel auch der Vertikalwinkel gleichverteilt, so lässt sich aus den Blättern eine Kugeloberfläche konstruieren. Eine solche Verteilung heißt sphärisch. Übergänge zwischen senkrechter  und sphärischer Verteilung , wir sagen erectophile Winkelverteilung, lassen sich mit einem Ellipsoid, der rotationssymmetrisch zur Vertikalen ist, und dessen Länge a in senkrechter Richtung die von b in horizontaler Richtung  überschreitet. Herrschen horizontale Blattstellungen vor, spricht man von einer planophilen Verteilung (Abb. 8).


Abb. 8: Geometrische Repräsentation von Blattstellungswinkelverteilungen (Ellipsoide aus http://www.geometrie.tuwien.ac.at/student/arch/).

Wir kennen alle Übergänge von planophilen (z.B. Helianthus annuus oder die Schattenblätter von Fagus silvatica) bis hin zu erectophilen (Gladiolus, Allium) Blattwinkelverteilungen. Die Nadeloberfläche vieler Koniferen (z.B. Picea abies) ist  mit guter Näherung sphärisch.

Wie sich die geometrischen Oberflächen auf verschieden Ebenen projizieren, veranschaulicht Abb. 8 am Beispiel der sphärischen Verteilung.


Abb. 9: Projektion der Kugeloberfläche senkrecht zur Strahlungsrichtung (Ap) und auf die Horizontale (Ah) aus Monteith und Unsworth (1990).

Ap/A der Kugel ist demnach gleich 0,25 und Ah/A der Kugel gleich 0,25/sin(β). Die Projektion wird jedoch nur von einer Hälfte der Kugeloberfläche beeinflusst, denn die untere Hälfte der Kugeloberfläche wird von der Oberseite vollständig beschattet. Hier liegen die Grenzen unserer Analogie, da wir die betrachtete Schicht ja so klein gewählt haben, dass Selbstbeschattung vernachlässigt werden kann. Demnach müssen wir Oberseite und Unterseite der Kugeloberfläche jeweils getrennt betrachten. Für die sphärische Verteilung gilt bei senkrechter Sonneneinstrahlung: ksp=Ap/A=2·0,25=0,5! Das Verhältnis der Projektionsfläche auf die horizontale Ebene zur Gesamtfläche (Ah/A) hängt vom Inklinationswinkel der Sonne, hier β, ab. Dies haben wir schon bei der Richtungsabhängigkeit der Strahlungsflussdichte kennengelernt . Wie dieser in Abhängigkeit von Ort und Zeit auf der Erdoberfläche zu berechnen ist, haben Sie am Beispiel der Berechnung der potenziellen Globalstrahlung kennengelernt (vgl. Strahlung  I: Strahlungsgesetze, Achtung: Dort wird β als ψ bezeichnet!).
In Abb. 10 sind Beispiele für Extinktionskoeffizienten, nun ksp=Ah/A=0,5/cos(θ), verschiedener Blattstellungswinkelverteilungen in Abhängigkeit von dem Inklinationswinkel der Sonne dargestellt. Mit diesen Werten und dem Lambert Beer'schen Gesetz (Gl. 4) können Sie nun die Strahlungsverteilung in einem homogenen Medium aus schwarzen Blättern berechnen.


Abb. 10: Beispiele von Extinktionskoeffizienten bei unterschiedlichem Sonnenvertikalwinkel und Blattstellungswinkelverteilung.






Effekte der Struktur auf die Strahlungsverteilung auf höheren räumlichen Skalen

In der Realität genügen Baumkronen nur sehr selten dem Kriterium der Homogenität. Die Auswirkungen verdeutlicht Abb. 11.


 

Abb. 11: Auswirkung der Heterogenität von Baumstrukturen auf verschiedenen Raumskalen.
Unten rechts sind die  Durchlässigkeitsfunktionen für kurzwellige Strahlung  in Abhängigkeit des Verhältnisses vom Blattflächenindex (L) zum Cosinus des Zenitwinkels
der Sonnenstrahlung  (θ) dargestellt (Stenberg, 1996). Der Zenitwinkel ist der Winkel der Strahlung zur Senkrechten auf der Erdoberfläche, cos(θ) entspricht deshalb  sin(β) in Abb. 9.


Wir erkennen, dass je stärker der Grad der Klumpung ist, desto weniger Strahlung wird bei gleichem Blattflächenindex von dem Kronendach absorbiert, bzw. desto mehr Strahlung wird zum Boden transmittiert. Interessanterweise kann man beobachten, dass die Blattfläche von relativ geklumpt angeordneten Kronenräumen i.d.R. höhere Blattflächen aufwiesen als solche mit homogener Verteilung. Dies ist ein Beispiel für eine Struktur-Funktionsbeziehung, die zu Zugang zum Verstehen des komplexen Systems Einzelbaum - Baumbestand in seiner Umwelt vermittelt.
 
 
 



Berechnung der Photosynthese

Ist die PAR-Flussdichte bekannt, kann die Photosynthese einfach mit den Gleichungen  1 und 2 berechnet werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Strahlungsflussdichte vom Winkel des Blattes zur Strahlungsrichtung abhängt.  Die  einfache Mittelung und anschließende Berechnung der Photosynthese ist wegen der Nicht-Linearität von Gl. 1 nicht erlaubt. Daher muss die Photosynthese für einzelne Klassen der Blattwinkelverteilung gesondert berechnet und über die Blattfläche einer Schicht integriert werden.



Übungen zu dieser Einheit finden sie hier.
 
 


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Autor: Andreas Ibrom
aibrom@gwdg.de
Letzte Änderung am 31.01.2001