Gaukler in Göttingen

Ein Lehrstück aus dem 18. Jahrhundert

Als Philadelphia spöttisch hier abgewiesen wurde

Jack Philadelphens Spiel verscheuchst, Augusta, du?

Und sah’st doch vierzig Jahr den Spielen H * * zu.

Abraham Gotthelf Kästner

 

Fünfzehn Jahre, nachdem Lichtenberg mit einem satirischen «Avertissement», das in der postumen Ausgabe seiner Schriften «Anschlag-Zeddel im Namen von Philadelphia» heißt, den berühmten Taschenspieler und Zauberkünstler zum Gespött gemacht und aus der Stadt vertrieben hatte, wollte Anfang 1792 ein Scharlatan ähnlichen Schlages, der «mathematische und physische Künstler Herr Kainer», wie schon «in Italien, der Schweiz, Spanien, Frankreich und den Niederlanden» erst in Hannover und dann auch in Göttingen «die Ehre haben, einem hohen und geehrten Publikum mit seinen auserlesenen Kunststücken 3 Tage aufzuwarten». Dieses Vorhaben hat die Universität zu vereiteln gesucht. Das Zirkular der zuständigen Gerichtsdeputation, ein bescheidenes Zeugnis akademischer Wachsamkeit, enthält die im folgenden mitgeteilten Voten des Prorektors und der Dekane der vier Fakultäten.

Hochzuverehrende Herren Kollegen!

Ungeachtet der Taschenspieler Kainer von der Königl. Regierung die Erlaubnis erhalten hat, seine Gaukeleien auch hier drey Tage zeigen zu dürfen; so bin doch entschloßen ihm die Ausübung dieser Erlaubnis zu versagen, in der Voraussetzung, daß dieselbe ihm nur unter der stillen Bedingung, wenn die akademische Disciplin das Gesuchte verstattet, sey gegeben worden. Und dieses zu beurtheilen überläßt man unsrer Uiberlegung. Da nun vor kurzem bey der Vorstellung der Ombres chinoises mancherley Unordnungen, Tabakrauchen u. s. f. vorgefallen sind, welche bey dem gegenwärtigen Gaukler ernsthaft zu verbieten kaum der Mühe werth seyn möchte, so bin ich versichert, daß dergleichen auch jetzt nicht unterbleiben würden. Also Principiis obsta.

S. M.

L. Kulenkamp.

Je elender die Künste des Taschenspielers sind, und je weniger sich also glauben läßt, daß er viele Mitglieder aus unseren gesitteteren und feineren Ständen an sich ziehen werde, desto mehr ist es zu befürchten, daß bey seinen Vorstellungen Anstand und Ordnung nicht so leicht zu erhalten seyn möchten. Ich würde es also für sehr gut halten, wenn ihm die Erlaubnuß, sein Wesen hier zu treiben, verweigert werden könnte; aber ob es bey der uneingeschränkten Concession, die man ihn in Hannover bereits hat bezahlen lassen, noch geschehen kann, dieß weiß ich würklich nicht, da mir nicht bekannt ist, ob man sich nicht dabey auf ältere und generelle Verfügungen der Regierung beziehen kann. Sollten aber keine dieser Art vorhanden seyn, so wäre es gewiß der Mühe wehrt gegen solche illimitirte Concessionen für künftige Fälle eine Vorstellung an Kön. Reg. zu machen.

[GJPlanck]

Ich bin eben dieser Meynung. Für die Zukunft wäre vielleicht zuträglich, wenn Eüre Magnificenz etwa in einem Privatschreiben an HEn geh. Canzley-Secr. Brandes den Wunsch zu erkennen gäben, daß in ähnlichen Fällen wenigstens die sonst wohl gewöhnliche Clausel; sofern sich hier nichts dabey zu erinnern fände, nicht ausgelassen werden möchte.

JSPütter.

N.S. Wenn Ew. Magnificenz den Mann allenfalls damit abfertigen können, ihm seine zu Hannover gezahlten Gebühren aus dem fisco zu ersetzen; so will ich zu dem hierzu erforderlichen decreto deputationis meine Einwilligung hierdurch gerne geben.

JSPütter.

Vorstehenden Votis trete bey.

Runde

Mir ist vieles, was jezt vorgeht, dunkel, aber das ist mir hell und einleuchtend, daß solcher Non-sens, wie bey den so lang gespukten ombres Chinoises, welche nur Kindern zur Unterhaltung dienen konnten, unserm Geschmack zum Untergang auch noch der neue Supplicant, oder vielmehr schon autorisirte ––– auftreten, und solche Unordnungen (dergleichen [der Feuerwerker] Czerny nie veranlaßet hatte) erregen könte, dem unsre Polizey mit allen renommirten Jägern nicht Einhalt zu thun vermögend seyn würde ––– Also mit Uberzeugung unterschreibe ich die Worte

Principiis obsta –––

und setze hinzu nam sero Medicina paratur.

Wrisb[erg].

d. 19. Merz. 92. Abends 9. Uhr

Vielleicht hat der Mann durch großsprecherisches Vorgeben von mathematischen und physikalischen Experimenten oder Künsten, wie es im Decret heißt, die Erlaubniß Königl. Regierung erschlichen. Ich gebe daher Eurer Magnificenz anheim, ob nicht etwa mittelst eines Zeugnisses des Herrn Hofr. Kästner oder Lichtenberg dessen Mathem. und Physik. Künste betreffend, wenn dieses nicht zu seinem Vortheil ausfiele, die Absicht erreicht werden könnte? Sonst darf, meines Erachtens, freylich auch, tanta conditio, wie Euer Magnificenz sie annehmen, bey solchen Concessionen vorausgesetzt werden.

d. 20. März Morgens um 6 Uhr.

JGHFeder